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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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verschonen! Los! Gott schütze dich!«
    Und sie stieß ihn gewaltsam aus der Kutsche.
    Ohne einen Laut von sich zu geben, fiel Mitja in den Schnee. Er kroch zu den Schneewehen am Wegrand.
    Die fünf näherten sich der Schlittenkutsche, die Schlagseite hatte.
    »Gnädiger Herr, da ist die Achse gebrochen«, sagte der eine. »Damit sind wir bis zum Einbruch der Dunkelheit beschäftigt. Bis wir im Wald geeignetes Holz gefunden und es richtig eingepasst haben. Die Kutsche ist riesig, Espen- oder Birkenholz taugt nicht, da braucht man Eiche. Wer weiß, vielleicht müssen wir sogar hier übernachten.«
    »Das macht nichts«, sagte Pikin, der einen halben Kopf größer als seine Begleiter war. »Ich bin in der Kutsche am Ofen, und ihr macht Feuer. Was steht ihr herum? Marsch in den Wald, ihr zwei! Du und du, ihr räumt hier auf. Die Kadaver werft in den Straßengraben und bedeckt sie mit Schnee. Dann kommt ihr den Kutscher holen. Wenn er lebt, macht ihn fertig. Wenn er weggekrochen ist, rennt hinter ihm her. Und verscharrt ihn ebenfalls. Marsch!«
    Nachdem er die Befehle erteilt hatte, kehrte der Leibgardist zu der Schlittenkutsche zurück. Er stellte seinen Fuß auf den Tritt, zog den Hut, verbeugte sich und sagte:
    »Madame, es scheint, Euch steht eine romantische Nacht bevor. Um Zweideutigkeiten zu vermeiden, werde ich wie der treue Roland ein Schwert zwischen uns legen.«
    Und er wieherte los, dieser ungebildete Flegel. Wie kann man nur Roland mit Tristan verwechseln!
    Mitja kroch auf allen vieren rückwärts zum Wald zurück. Hinter schwarzen Sträuchern, an denen unzählige tropfenförmige rote Beeren hingen, richtete er sich auf und rannte los. Aber das ist nur so hingesagt: rannte los; in dem lockeren Schnee kam man nicht gerade schnell vom Fleck.
    Als er einen Pfad fand, dachte er nach.
    Sie würden erst am Morgen weiterkommen. Also konnte er Pawlina noch retten. Das Einzige, was er tun musste: Er musste Leute hierher bringen.
    Frage: Wo sollte er die Leute hernehmen?
    Die genaue Ortsangabe wusste er nicht. Irgendwo zwischen Tschudowo und Nowgorod. Wo hier die nächste Siedlung war, wie weit der Fußweg bis zu ihr war und in welche Richtung man gehen musste, das wusste Gott allein.
    Und das Jagdhäuschen?
    So weit hatten sie sich doch gar nicht davon entfernt. Einen Werst, allenfalls zwei.
    Dazu musste er zurückgehen und möglichst nicht vom Weg abweichen, so leicht war das.
    Die Dämmerung setzte ein, aber bis zur Dunkelheit war noch Zeit. »Ich werde Euch retten, teuere Pawlina Anikitischna«, sagte Mithridates laut und lief den schmalen Pfad entlang, der möglicherweise gar nicht von Menschen, sondern von Tieren gemacht worden war. Irgendwo in dieser Richtung mussten die gerodete Stelle und das Häuschen sein.
    Traurige Winterzweige schlugen ihm ins Gesicht, und seine Gedanken waren auch nicht gerade heiter. Warum stehen dem Verbrechen immer alle Wege der Welt offen, während es für die Tugend nur einen schmalen, mit stacheligen Dornen zugewachsenen Pfad gibt? Und noch eins. Wenn man sich Pawlina, Pascha, anschaute. Warum musste eine solche Schönheit denn unbedingt auch noch die Last von Sensibilität, Würde und Freiheitsliebe tragen? Ohne diese Last wäre ihr Leben sehr viel einfacher und angenehmer. Wie viele Weiber und Mädchen würden das Ansinnen des Fürsten Platon Alexandrowitsch für ein großes Glück halten.
    Was ist der Edelmut nur für ein Kreuz? Nicht genug, dass er einen Menschen schweren Prüfungen aussetzt, er lässt ihn auch noch ohne irgendeine Belohnung für die Qual, ja, lohnt sie nur mit Unglück und Leid!

NEUNTES KAPITEL
    MOSKAU UND DIE MOSKAUER
    (Giljarowski, 1926)
    »Was ich alles ausgestanden, was für Qualen ich seinetwegen auf mich genommen habe!«, jammerte die beleidigte Valja. »Sie sollten mal versuchen, sich die Brauen zu zupfen, das ist ein Albtraum! Ich habe mir die Augen aus dem Kopf geweint! Fucking miracle, dass meine Augen nicht knatschrot sind. Und dabei habe ich nur an Sie gedacht, an Ihre Reputation. Das › Cholesterin ‹ ist so ein Ort, da trifft man jeden. Es hätte ja gerade noch gefehlt, dass die denken, Sie hätten sich mit einer Transvestitin eingelassen. Barbie-Dress, fadendünn gezupfte Brauen und peppige Bemalung, das ist doch alles nur Ihretwegen, und da fallen Sie über mich her wie Präsident Bush über die Taliban. Was ist denn dabei, wenn ich eine halbe Stunde zu spät komme? Ich habe ja schließlich gearbeitet und nicht ein Buch gelesen.«
    Nicki war

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