Der Favorit der Zarin
lebe.
Er legte Geld auf den Tisch und warf einen letzten Blick auf Valja, die mit einem der Kaukasier tanzte. Ihr Kavalier und sie lachten schallend. Die Unbekannte hatte Recht, dachte Nicholas. Sollte Valja sich doch mit ihren Altersgenossen abgeben, schließlich hatten sie ihre eigenen Spiele und sprachen dieselbe Sprache. Sie gehörte nicht zu den Mädchen, die man nach Hause begleiten muss. Valja würde diese Nacht wohl kaum allein verbringen.
Als er an der Bar vorbeiging, nickte er der zwielichtigen Frau etwas verlegen zu – sie stand mit ihrem Handy da, redete mit jemand und verabschiedete sich von ihm, lässig ihre Finger mit den langen roten Nägeln bewegend.
Er trat auf die nächtliche Straße und sog den wunderbaren Moskauer Geruch ein: Regen, Asphalt und faules Laub, gewürzt mit Abgasen. Sich ans Steuer setzen, Musik anstellen (alte Musik aus seiner Jugendzeit: die noch nicht verpoppten Bee Gees der Platte »Odessa«) und durch die leere Straße nach Hause fahren, wo die Kinder schlafen. Was kann schöner sein?
In der Nähe des Eingangs zum Klub parkte ein riesiger Jeep. Die Tür des Wagens stand sperrangelweit offen. Der stolze Besitzer des funkelnden Monsters stand in malerischer Pose da, den einen Fuß auf die ausfahrbare Stufe gesetzt, und telefonierte. Moskau schlägt alle Rekorde, was die Pro-Kopf-Zahl der Handys betrifft, dachte Fandorin im Vorbeigehen.
»Geht klar«, sagte der Besitzer des Jeeps, ein junger Mann in einer teuren Lederjacke und mit getönter Brille (nachts!), zu seinem unsichtbaren Gesprächspartner. »Wird sofort erledigt!« Und packte den vorbeigehenden Fandorin auf einmal kräftig am Ärmel.
»Nikolaj Alexandrowitsch, setzen Sie sich ins Auto«, sagte er leise, man sah durch die Brillengläser seine ruhigen, aber unangenehm konzentrierten Augen. »Da möchte jemand mit Ihnen sprechen.«
Die Hoffnung, er sei noch einmal davongekommen, brach ohne Vorwarnung in sich zusammen. Das war’s! Jetzt hatten sie ihn!
Ihm rutschte das Herz in die Hose, und trotzdem tat Nicholas so, als verstünde er nichts und ahne nichts.
»Mit mir?«, fragte er übertrieben verwundert und spürte selber, wie künstlich seine Intonation war. »Wer denn? Und warum?«
Er hätte auch die berühmte Formel »Sie müssen mich mit jemand verwechseln« sagen können, aber das Unglück wollte es, dass sie ihn mit Vor- und Vatersnamen angeredet hatten.
Er schaute sich um und sah, dass die beiden Türsteher des Klubs in seine Richtung guckten. Er fasste ein wenig Mut.
»Ich denke nicht daran, mit Ihnen irgendwohin zu fahren!«, erklärte er und versuchte, sich loszureißen.
Umsonst. Der Brillenträger hielt ihn mit zwei Fingern am Ärmel, doch diese Finger waren aus Stahl.
Hinten hörte man Schritte, und in Fandorins Rücken bohrte sich etwas hartes Rundes mit einem kleinen Durchmesser. Ihm schwante sofort, was es war, obwohl man ihm nie zuvor die Mündung einer Pistole an die Wirbelsäule gehalten hatte.
»Ohne Dramatik, Verehrter«, sagte derselbe Mann. »Wir setzen uns schön hin, fahren los und veranstalten keine Szenen und Happenings.«
Die fehlerlose, ja kultivierte Rede des Banditen machte Nicki am meisten Angst. Er guckte sich in Panik um. Zwei Männer standen hinter ihm: der eine hatte ein verschlafenes Gesicht und eine platte Nase, der andere war noch ganz jung und hatte wohl rote Haare, obwohl man sich im Lampenlicht da nicht ganz sicher sein konnte.
Am schlimmsten war, dass sich die Türsteher, sobald sie die Waffe sahen, wie auf Befehl abgewandt hatten. Sie verstanden offenbar, dass es sich hier nicht um eine gewöhnliche Schlägerei handelte, sondern um eine ernste Unterhaltung.
Und doch sollte er sich auf keinen Fall zu diesen Totschlägern ins Auto setzen, egal, wer sie waren, ob die Komplizen von Schibjakin oder dessen Mörder. Das war gehupft wie gesprungen. »Es möchte jemand mit Ihnen sprechen!« Sie wollten ihn also nicht sofort umbringen. Das kennen wir aus der Zeitung: sie schmieden dich an den Heizkörper, schlagen dich und stellen Fragen, auf die du keine Antwort weißt. Oder wenn es die »Unfassbaren Rächer« sind, dann veranstalten sie einen Pseudo-Prozess gegen dich »Schwein und Betrüger«.
»Zwingen Sie mich nicht, zu stärkeren Mitteln zu greifen«, sagte der Mann in der dunklen Brille immer noch genauso ruhig; offenbar war er der Boss der Entführer. »Sie wissen ja, das hat schon einmal zu einem tödlichen Ausgang geführt.«
Er hob seine rechte Hand, die jetzt
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