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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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kein Handy, sondern etwas Dünnes, Metallisches hielt – es war wohl eine Nadel. »Tödlicher Ausgang«, das bezog sich auf Schibjakin. Also waren es nicht die »Unfassbaren«, sondern deren Gegner. Er setzt mir jetzt eine einschläfernde Spritze, und wenn ich zu mir komme, habe ich Handschellen an und befinde mich in irgendeinem Keller, dachte Nicho-las resigniert. Und dann werde ich wie dieser arme Spinner mit offenem Mund und glasigen Augen in einer Pfütze liegen.
    »Hej, Chef!«, hörte er hinter sich ein wildes Gebrüll. »Wohin wollen Sie denn? Ça ne marche pas! Und ich?«
    »Valja!« Mit den Absätzen klappernd kam sie aus dem Klub gelaufen. Ihr Gesicht war zornig.
    Der Mann mit der Spritze zischte:
    »Sagen Sie ihr, sie soll abhauen. Das ist mit Sicherheit besser.«
    Vom unheilverkündenden Sinn dieser Worte erzitternd (für ihn war es also bereits zu spät), sagte Nicholas mit belegter Stimme:
    »Valja, ich habe Bekannte getroffen. Ich muss mit ihnen sprechen. Warte am Tisch auf mich.«
    »Bien sûr, Bekannte«, lachte sie bitter und kostete genüsslich die Rolle der Verführten und Sitzengelassenen aus. »Ich habe doch gesehen, wie Sie mit der femme fatale rumgeturtelt haben! Haben Sie ein date mit ihr gemacht, ja? Ich werde MM alles erzählen, das sage ich Ihnen!«
    Sie riss wütend an der Hand des Brillenträgers, damit der Nickis Ärmel losließ.
    »Vorsicht, hands off! Finger weg von dem, was dir nicht gehört!«
    »Kleine«, bat der Brillenträger inständig. »Tu uns einen Gefallen, bleib noch ein bisschen leben. Du hast zwei Sekunden, um zum Gartenring zu rennen.«
    Jetzt wird es zur Katastrophe kommen, dachte Nicholas zitternd und sagte hastig:
    »Valja, lass, sie haben eine Kna . . .«
    Es gelang ihm nicht, sie vor der Pistole zu warnen.
    Aber es kam nicht zur großen Katastrophe: Alles spielte sich in dem Zeitraum der zwei Sekunden ab, die der nichtsahnende Verbrecher Valja schenkte. Mit einem Wahnsinnsschrei rammte ihm das empfindliche Fräulein ihre Stirn gegen die Nase und warf gleichzeitig die Arme zu beiden Seiten: mit der rechten Hand versetzte sie der Plattnase einen Schlag gegen die Kehle, mit der linken Hand traf sie die Nase des Rothaarigen.
    Das Schauspiel war effektvoll, um nicht zu sagen imposant, und erinnerte ein wenig an den Start eines Raumschiffs: vor einer Minute noch von den Stahlstützen gehalten, schaltet die Rakete auf einmal die Motoren ein und hüllt sich in eine Wolke von Rauch und Feuer; da fällt die Halterung zu beiden Seiten ab und entlässt das Raumschiff in stolzer Einsamkeit zu den Sternen.
    Valja atmete laut aus, verschränkte die Arme und setzte ihre Anklagerede fort:
    »Aha, da haben wirs, so sieht der treue Ehegatte also aus? A family man, yes? Und ich Blöde hab ihm das doch glatt abgenommen und ihn nicht angerührt! Und da kommt die erstbeste Kurva, schnippt mit den Fingern – und bittschön! Wo wollt ihr denn hin? Zu einem flotten Dreier? Und was bin ich? Eine bloody Binde? Zum Wegwerfen?«
    Nicholas war noch nicht wieder imstande zu sprechen und zeigte deshalb nur stumm auf den Fahrdamm, wo die dem Rothaarigen aus der Hand gefallene Pistole lag.
    Valja pfiff durch die Zähne und hockte sich hin.
    »Das ist ja eine Bazooka! Wow! Chef, was sind das für people?«
    Der Boss der Banditen, der, an das eine Autorad gelehnt, auf dem Asphalt saß, öffnete die Augen. Die dunkle Brille war über seine stark blutende Nase nach unten gerutscht. Plattnase stöhnte und versuchte, sich auf seinen Ellenbogen zu stützen.
    Auch in die Türsteher war wieder Leben gekommen: der eine war in den Klub gelaufen, der andere schrie etwas über Funk.
    »Wirf dieses Mistding weg!«, brüllte Nicholas entsetzt, als er sah, dass Valja die Pistole aufgehoben hatte und sie neugierig untersuchte. »Schnell, hauen wir ab, solange sie noch nicht zu sich gekommen sind!«
    Er packte die Sekretärin an der Hand und zog sie in die Finsternis.
    »Du bist wohl verrückt geworden!«, schrie Fandorin nach Luft ringend. »Ist dir wenigstens klar . . . was du . . . angerichtet hast? Jetzt bringen sie uns auf Garantie um! Sowohl mich als auch dich! O Gott, o Gott, wo ist denn hier die U-Bahn?«
    Es gab in der Nähe eine Haltestelle – wie hieß sie noch gleich? »Ochotny Rjad«. Er wusste das mit Sicherheit, hatte aber von der Erschütterung völlig die Orientierung verloren, hetzte über die Kreuzung hin und zurück und wiederholte hilflos:
    »Wo ist denn › Ochotny Rjad ‹ ? Wo ist ›

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