Der FC Bayern und seine Juden
der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und der Rückkehr Kurt Landauers an die Spitze des Klubs; sie betrachten die Jahre, in denen die Vergangenheit auch beim FC Bayern in Vergessenheit geriet, und schließlich den langen und schwierigen Weg des Klubs zur Anerkennung seines »jüdischen Erbes«.
Frühjahr 2011, Dietrich Schulze-Marmeling
Kapitel 1
Von Freiburg nach München: Jüdische Fußballpioniere
Im Sommer 1993 stieg der Sportclub Freiburg erstmals in die 1. Bundesliga auf. Seither ist die Studentenstadt, die seit 2002 als erste deutsche Großstadt von einem grünen Oberbürgermeister regiert wird, aus dem deutschen Profifußballs nicht mehr wegzudenken.
Die Saison 1994/95 beendete der Sportclub sogar als Dritter, lediglich drei Punkte trennten das vom ehemaligen Studienrat Volker Finke trainierte Team vom Deutschen Meister Borussia Dortmund. Die Breisgauer spielten den attraktivsten und modernsten Fußball der Liga und waren in aller Munde.
Bis Ende der 1970er Jahre war Freiburgs Nr. 1 aber nicht der Sportclub, sondern der um einige Jahre ältere Freiburger Fußball-Club (FFC), der sogar 1907 Deutscher Meister geworden war. In der Saison 1968/69 verpasste der FFC nur knapp den Aufstieg in die Bundesliga. Doch seit der Saison 1981/82, als man aus der 2. Bundesliga abstieg, ist der FFC aus dem Profifußballs verschwunden. 1999 musste der von finanziellen Problemen geplagte Klub sein Traditionsreiches Möslestadion verlassen, das nun zum Nachwuchszentrum des Lokalrivalen umgebaut wurde.
In der Saison 2010/11 war der FCC nur noch Landesligist und somit siebtklassig. Der Deutsche Meister von 1907 ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Eine andere historische Leistung der Freiburger Fußballpioniere ist weithin völlig unbekannt: Der FFC stand Pate bei der Gründung und Etablierung des heutigen deutschen Rekordmeisters Bayern München.
Freiburger Paten: Gus Manning und Ernst Schottelius
Dieses Buch wendet sich daher zunächst nicht nach München, sondern nach Freiburg, denn dort beginnt die Geschichte des FC Bay ern und seiner Juden. Die Garnisonsstadt im Breisgau zählt zu den ganz frühen süddeutschen Fußballhochburgen. Die ersten Kicker sind junge Briten, die an einer englischen Militärschule auf ihren Dienst als Infanterieoffiziere vorbereitet werden. Fußball, Hockey, Cricket und Rugby sind teil ihrer Ausbildung, und ab 1889 wird auf zwei gepachteten Wiesen an der Schwarzwaldstraße gespielt.
Am 17. Dezember 1897 gründen einige Studenten den Fußball-Club Freiburg. Sie bilden einen ziemlich polyglotten Zusammenschluss; auch ein amerikanischer Staatsbürger gehört dazu. Ein anderes Gründungsmitglied ist der 24-jährige Medizinstudent Gustav Randolph Manning, den die Versammlung im Gasthaus Allgeier auch zum ersten Präsidenten des jungen Klubs wählt.
Der im Londoner Vorort Lewisham geborene Manning ist britischer Staatsbürger. Sein Vater ist der aus Frankfurt/M. stammende jüdische Kaufmann Gustav Wolfgang Mannheimer, der ein Unternehmen in der Londoner City besaß und auf der Insel seinen Namen zu »Manninger« anglisieren ließ. In den 1880er Jahren verkaufte Mannheimer/Manninger sein Londoner Unternehmen und zog mit der Familie nach Berlin. Dort behielt die Familie den Namen, verkürzte ihn aber später zu »Manning«.
In Berlin traten Gustav Wolfgang Manning und seine drei Söhne Gustav Randolph (genannt »Gus«), Fridrich (genannt »Fred«) und Paul dem Berliner Cricket-Club bei. Gustav Randolph und sein zwei Jahre älterer Bruder Fred kickten in verschiedenen Berliner Vereinen, so auch dem 1893 von Dr. Hermani, dem Leiter der örtlichen »Höheren Knabenschule«, gegründeten VfB Pankow. Einer ihrer Mitspieler hieß Franz John, geboren im mecklenburgischen Pritzwalk und Sohn eines Postsekretärs.
Fred Manning war in den 1890ern auch an den ersten (gescheiterten) Versuchen beteiligt, einen Berliner Fachverband der Fußballer aufzubauen. Später, von 1904 bis 1916, wird er als Herausgeber des Golf- und Tennis-Journals »Der Lawn-Tennis-Sport« fungieren.
Sein Bruder Gustav Randolph Manning beginnt zunächst ein Studium an der Berliner Humboldt-Universität, 1894 geht er nach Freiburg und bezieht dort eine Wohnung in der Katharinenstraße 6. An der Albert-Ludwigs-Universität setzt er sein Medizinstudium fort und promoviert schließlich zum Doktor der Medizin.
Auch die meisten anderen Funktionäre und Spieler des Fußball-Clubs Freiburg sind Studenten der Albert-Ludwigs-Universität.
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