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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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etwas, was dir dein Instinkt sagt?«
    Trojan verstand, dass damit der private Teil des Gesprächs beendet war.
    Er rieb sich die Augen. In der Nacht hatte er sich höchstens drei Stunden auf der Klappliege in seinem Büro ausstrecken können, aber an Schlaf war nicht zu denken gewesen. All diese Bilder vom Tatort hatten ihn davon abgehalten.
    Er blickte seinen Chef ernst an.
    »Mein Instinkt sagt mir, dass der Täter wieder zuschlagen wird. Und zwar auf dieselbe bestialische Art.«
     
    Aufgeregt inspizierte er seine Küchenschränke. Irgendwo musste er noch Kakao haben, zu einem Kindergeburtstag gehörte doch Kakao. Schließlich fand er eine Büchse, in der Reste von einem braunen Pulver waren. Er tupfte mit der Fingerspitze etwas davon auf und leckte daran. Ja, Kakao, süß und verführerisch. Es trieb ihm beinahe die Tränen in die Augen. Irgendwann in seinem Leben schien es eine Zeit gegeben zu haben, in der er sich von diesem Geschmack hatte verwöhnen lassen.
    Er schüttete Milch in den Topf, stellte den Herd an, rührte das Kakaopulver unter und wartete, bis alles aufquoll.
    Nur wenig später kam er mit der Tasse in der Hand ins Wohnzimmer, wo das Mädchen artig auf dem Sofa saß. Er reichte ihr die Tasse.
    »Gibt es keinen Kuchen?«

    »Kuchen?«
    »Zu einem Geburtstag gehört doch auch Kuchen.«
    »Kuchen, du hast recht.«
    Er überlegte. Sollte er rasch zum Bäcker hinuntergehen und Kuchen kaufen?
    Er entschied sich dagegen und nahm in dem Sessel Platz.
    Das Mädchen nippte von dem Kakao. Dann stellte sie die Tasse ab und sah ihn fragend an.
    »Wo ist Paula?«
    Er antwortete nicht.
    »Bist du der Vater von Paula?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wer bist du dann?«
    Nervös faltete er die Hände, öffnete sie, faltete sie wieder. Es ist ein Unrecht, dachte er. Ein Unrecht, ihr nicht die Wahrheit zu sagen.
    »Hier wohnt gar keine Paula, hab ich recht?«
    Er nickte zaghaft.
    Sie schwiegen eine Zeit lang, dann sagte er leise: »Du weißt also gar nicht, wie es bei Paula zu Hause aussieht?«
    »Ich war noch nie bei ihr eingeladen.« Sie seufzte. »Eigentlich kann ich sie überhaupt nicht leiden. Und sie mag mich, glaub ich, auch nicht besonders.« Sie nahm die Postkarte, schaute drauf und blinzelte. »Sie hat bestimmt die falsche Hausnummer aufgeschrieben.«
    »Neunundzwanzig«, sagte er.
    »Ja, hier steht: neunundzwanzig.«
    »Stimmt denn der Straßenname?«
    Sie las ihm den Namen vor.
    »Ja, das ist hier.«

    Sie seufzte noch einmal. »Ob sie das mit Absicht gemacht hat? Wollte mich Paula reinlegen, was meinst du?«
    Er zuckte mit den Schultern, sie trank einen großen Schluck.
    Über ihren Lippen war ein Kakaobart, sie fuhr mit der Zungenspitze darüber.
    »Hast du denn ein Geschenk für Paula?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Meine Mutter hat nicht viel Geld. Eigentlich –« Sie brach ab.
    »Eigentlich was?«
    »Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich nicht bei Paula bin. Wie sieht das denn aus, ohne Geschenk.«
    Er nickte.
    »Wie heißt du?«, fragte ihn das Mädchen.
    »Konrad«, sagte er.
    »Komischer Name.«
    »Findest du?«
    Sie nickte.
    »Und du, wie heißt du?«
    »Lene.«
    »Lene. Schöner Name.«
    »Na ja, geht so.«
    »Du kannst mich auch Konnie nennen. Was hältst du von Konnie?«
    Das Mädchen verzog das Gesicht. »Konnie ist noch komischer. «
    »Also Konrad.«
    »Trinkst du keinen Kakao, Konrad?«
    »Ich mach mir auch einen.«
    Er stand auf und ging in die Küche. Ihm hüpfte das Herz.
Alles war so anders als sonst. Der Tag war wie eine Blume. Eine hübsche bunte Blume namens Lene.
    Die Milch kochte hoch. Er rührte das Kakaopulver hinein. Er bemerkte, dass er dazu leise eine Melodie pfiff.
    Er trat mit der zweiten Tasse in der Hand ins Wohnzimmer und setzte sich neben das Mädchen aufs Sofa. Sie erzählte ihm von ihrer Mutter, während er den Kakao schlürfte. Der schmeckte nach Kindheit und Glück, aber auch nach etwas, das ihn ein wenig traurig stimmte. Er suchte in Gedanken nach einem Begriff dafür, doch es wollte ihm keiner einfallen.
    »Ich mag meine Mama«, sagte das Mädchen.
    Er nickte, das war verständlich, Kinder liebten ihre Mütter. Bei ihm war das auch so gewesen, auch er hatte seine Mutter geliebt.
    »Und dein Vater?«, fragte er.
    Sie antwortete nicht.
    »Was ist mit deinem Vater?«
    »Ich hab keinen Vater«, sagte sie schließlich. »Meine Mama sagt, ich hab bloß einen Erzeuger.«
    Ja, so ist das, dachte er. Genau, genau, so ist es.
    »Kennst du deinen Erzeuger?«
    Sie nickte.

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