Der Federmann
blutüberströmt, ihre Beine gespreizt, die Arme nach hinten über die Rückenlehne gestreckt.
Das dunkle Haar von Gesine Bender schien den Täter nicht interessiert zu haben, sie war nicht kahlköpfig, im Gegensatz zu Michaela Reiter.
Aber auch der Bender waren die Augen ausgestochen worden, und auch sie hatte Schnittverletzungen und paarweise Striemen wie von Tierkrallen am ganzen Körper.
Beiden Frauen war der Hals durchstoßen worden.
Am Leib von Michaela Reiter hatte der Täter noch mehr gewütet. Ihre Bauchhöhle war geöffnet. Inmitten ihrer Gedärme befand sich ein zerfetzter, gerupfter Dompfaff.
Den Frauen zu Füßen lag ein umgestürzter Karton mit Blutspuren daran.
Von dem weißen Stoff des Sofas war kaum noch etwas zu erkennen. Es war mit Blut getränkt.
Der Anblick war so grotesk, dass es Trojan den Atem nahm. Er wankte ein paar Schritte zurück.
Das gesamte Team der fünften Mordkommission war bereits vor Ort. Zusammen mit den Kollegen von der Kriminaltechnik hatten sie ihre Arbeit aufgenommen.
Landsberg stand dicht neben ihm. Er berührte ihn sacht am Arm.
»Bist du in Ordnung, Nils?«
Trojan holte tief Luft.
Ich hätte sie besser schützen müssen, dachte er.
Er warf Landsberg einen gequälten Blick zu.
Sein Chef kniff ihm aufmunternd in den Arm.
»Wir tun doch alle nur, was in unserer Macht steht, Nils.«
Trojan schloss für einen Moment die Augen. Ich kann nicht mehr, dachte er, ich halte das nicht mehr aus.
»Er muss ihr gefolgt sein«, sagte Landsberg.
Trojans Nacken verkrampfte sich.
»Was ist mit den Nachbarn?«, fragte er, um eine feste Stimme bemüht.
Landsberg kramte eine Zigarettenschachtel hervor und steckte sie gleich wieder ein.
»Der Kerl aus der Wohnung nebenan hat gestern Abend gegen halb neun einen Schrei gehört. Er glaubte aber, irgendjemand im Haus hätte den Fernseher zu laut gestellt. «
Trojan stöhnte leise auf.
Sein Blick wanderte zu den Kollegen hin. Gerber, Krach, Kolpert und Holbrecht, sie alle waren bleich. Stefanie Dachs sah aus, als würde sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen.
»Halb neun«, murmelte er, »die frühen Abendstunden, das ist seine Zeit.«
Landsberg nickte.
»Gesine Bender«, sagte Trojan und schaute auf ihren Leichnam, »sie nimmt ihre Freundin bei sich auf, und dann geschieht ihr das.«
»Nur das Haar hat er ihr gelassen.«
»Ja, weil es nicht blond ist.«
Landsberg rieb sich mit der Hand über die Bartstoppeln. Trojan registrierte das Zucken um seine Mundwinkel, als sein Chef kaum hörbar sagte:
»Ich hab das Gefühl, der Täter hat das alles hier nur für dich arrangiert. Erst schickt er dir eine Warnung. Und dann will er dich sprechen.«
Trojan atmete tief durch. »Noch einmal: Was hat er genau gesagt?«
»Er nannte die Adresse, das Stockwerk, und dann sagte er wörtlich: Das wird ihn interessieren.«
Trojan warf ihm einen kurzen Blick zu.
Landsberg schaute zu Boden.
»Nils, ich hab Angst um dich. Der Kerl ist geisteskrank. Und du sollst sein Spiegel sein.«
»Sein Spiegel?«
Landsberg hob den Blick.
»Serienmörder setzen Zeichen, kommunizieren mit uns über ihre Taten. Sie wollen sich mitteilen. Du bist sein erster Adressat.«
Trojan sah wieder zu den beiden Toten hin. Das Blitzlicht des Tatortfotografen flammte auf.
»Er hat sich hier ausgetobt«, sagte Landsberg. »Schau dir das nur an. Was will er dir damit sagen?«
Trojan verzog das Gesicht. »Er sagt: Du kriegst mich nicht. Du kannst mein Opfer warnen, aber es wird dennoch sterben.«
»Ja. So traurig das klingt.«
»Er wütet, aber er genießt seine Wut.«
Er verspürte einen leichten Schwindel. Dabei sah er wieder den toten Vogel und den aufgespickten Zettel in seinem Briefkasten vor sich.
Und plötzlich musste er an Emily denken, an ihr Haar, das blonde Haar ihrer Mutter.
Sollte auch sie in Gefahr sein?
»Er beobachtet uns«, sagte er leise.
»Ja.«
»Aber er wird auch immer leichtsinniger.«
»Er ist größenwahnsinnig.«
»Wer weiß, vielleicht hält er sich für irgendeine Art Gott.«
»Irgendwann macht er einen Fehler.«
»Wie lange soll das noch gehen! Wie viele Tote braucht es denn noch!«
Landsberg sah ihn an. »Was ist sein nächster Schritt? Wir müssen ihm um eine Länge voraus sein. Dann kriegen wir ihn.«
Trojan kämpfte gegen die Übelkeit an. Eigentlich sollte er jetzt bei Jana Michels in der Praxis sitzen, im Warmen, geschützt, in ihrer beruhigenden Nähe.
Stattdessen hatte er das hier vor sich.
»Warum wollte er
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