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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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Erst als sie die unterirdischen Ladenpassagen verlassen hatten und sich auf der Treppe befanden, die sie zurück ans Tageslicht führte, löste sich die Anspannung ihrer Patientin ein wenig.
    Der Alex lag hell und freundlich vor ihnen, die Kugel vom Fernsehturm funkelte im Nachmittagslicht.

    »Und? Wie war das jetzt für Sie?«
    Franka Wiese lächelte gequält.
    »Mit Ihnen zusammen ging es ein bisschen besser, danke.«
    Jana Michels hörte sich selbst dabei zu, wie sie sagte: »Unsere Ängste können uns beherrschen und unser Verhalten bestimmen. Wir müssen uns ihnen stellen. Nur so gewinnen wir die Kontrolle zurück.«
    Sie stieß einen Seufzer aus. Glaube ich mir denn selbst?, fragte sie sich in Gedanken. Ist es wirklich so einfach?
    Sie wollte es sich nicht recht eingestehen, doch auch sie hatte sich auf dem gesamten Weg hierher unsicher gefühlt.
    Und noch immer verspürte sie eine leichte Beklemmung, als würde sie permanent von jemandem beobachtet werden.
    Sie wandte sich kurz um, aber da war niemand.
    Unsinn, dachte sie, ich bin überarbeitet, das ist alles.
    »Wollen wir wieder zurück?«, fragte sie.
    Franka Wiese nickte tapfer.
    Jana nahm ihre Hand. Sie war noch immer schweißnass und kalt.
     
    Sie gingen die Treppe hinunter. Er schaute ihnen nach. Das Sonnenlicht brachte ihrer beider Haar zum Leuchten.
    Wie zwei Schwestern sahen sie aus.
    Wie zwei hübsche blonde Schwestern.
    Er lächelte.
    Es war so schön, in ihrer Nähe zu sein, ohne dass sie es wussten. Und so schön, sich auszumalen, was mit ihnen geschehen würde.
    Er sog genüsslich die Luft ein, dann folgte er ihnen.

ZWEIUNDZWANZIG
    J ana Michels erwachte. Sie erinnerte sich an einen verworrenen Traum. Da war eine Gestalt gewesen, die ihr etwas zugerufen hatte, eine Warnung, die nur aus einem einzigen Wort bestanden hatte.
    Doch das Wort hatte sie vergessen.
    Sie rieb sich die Augen.
    Trojan, dachte sie. Er war ihr im Traum erschienen.
    Sie schwang sich aus dem Bett und öffnete die Vorhänge. Das Sonnenlicht traf sie im Gesicht, sie musste blinzeln.
    Unter der Dusche dachte sie noch eine Zeit lang über den Traum nach, dann zog sie sich an, setzte Kaffee auf und aß etwas Obst zum Frühstück.
    Nachdem sie in ihrer Wohnung aufgeräumt hatte, schaltete sie das Handy ein.
    Kurz darauf erklang ein Piepton, sie hatte eine neue Nachricht.
    Sie hörte die Mailbox ab und vernahm Trojans Stimme.
    Sie musste sich eingestehen, dass sie schon gestern den ganzen Tag lang auf seinen Anruf gehofft hatte.
    Sei keine Idiotin, beschimpfte sie sich in Gedanken selbst, er ist dein Patient. Er dürfte nicht einmal deine Handynummer haben.

    Und doch hörte sie sich die Nachricht zweimal hintereinander an.
    Er entschuldigte sich noch einmal für seinen überstürzten Aufbruch am Donnerstag, er sei mit weiteren Mordfällen beschäftigt. Er hätte den Eindruck, es würde immer noch schlimmer kommen. Er werde sich aber umgehend wieder bei ihr melden.
    Von einem neuen Termin sagte er nichts.
    Jana rieb sich die Stirn.
    Die Frauenmorde waren das beherrschende Thema in der Boulevardpresse. Sie überlegte, ob sie hinunter zum Laden gehen und sich eine Zeitung holen sollte.
    Dann verwarf sie den Gedanken wieder.
    Sie klappte das Handy zu und wieder auf, dann suchte sie seine Nummer im Verzeichnis, betrachtete sie lange: 0172 33 94 850. Leicht zu merken, dachte sie, ’33 war das Jahr, in dem ihr Vater geboren war, am 9.4. hatte sie Geburtstag.
    Anstatt seine Nummer zu wählen, rief sie eine Freundin an und verabredete sich mit ihr auf dem Winterfeldtplatz.
    Sie schlenderten über den Markt, kauften ein paar Kleinigkeiten ein, tranken Kaffee, aßen im Berio zu Mittag und saßen danach noch lange plaudernd zusammen.
    Als sie am späten Nachmittag nach Hause kam, legte sie sich auf ihr Sofa und fiel sofort in einen tiefen Schlaf.
    Sie wurde vom Läuten ihres Telefons geweckt.
    Sie schaute zur Uhr und konnte nicht glauben, dass es schon so spät war.
    Draußen dämmerte es bereits.
    Das Telefon läutete beharrlich weiter.

    Es war das Festnetz. Sie dachte kurz an Trojan, er würde es doch wohl eher auf ihrem Handy versuchen.
    Dass sie überhaupt schon wieder an ihn dachte.
    Schließlich stand sie auf und hob ab.
    Sie meldete sich mit ihrem Namen und wartete.
    Am anderen Ende der Leitung war nur ein gepresstes Atmen zu vernehmen.
    »Hallo?«, fragte sie ungeduldig.
    Sie wollte schon wieder auflegen, weil sie befürchtete, an einen dieser Stöhner geraten zu sein, die Frauen

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