Der Federmann
setzte zwei weitere Schritte vor. Jana stieß mit dem Rücken gegen eine Wand.
Ich muss hier raus, durchfuhr es sie.
Dann kam das Zittern. Es fing in den Händen an, dann zitterten ihre Arme. Schließlich verkrampfte sich ihr Nacken. Und dann spürte sie, wie ihre Beine nachgaben.
Nein, dachte sie, nein.
Sie durfte jetzt nicht in Ohnmacht fallen.
Die Gestalt kam noch näher.
Und Jana erkannte, dass das lange Etwas, das aus der Sturmhaube hervorragte, ein Messer war. Wo die Wangenknochen und das Nasenbein sein müssten, befand sich eine Art Gestell, eine Spange, die um den gesamten Kopf herumführte.
Da war Klebeband, und da waren Schrauben.
Und mitten darin steckte der Schaft des Messers. Die Klinge stach hervor, sie war blutbefleckt.
Es sah aus wie ein riesiger Schnabel.
Ein riesiger blutiger Schnabel.
In diesem Moment hörte sie ein leises Stöhnen aus einem entfernten Winkel der Wohnung. Franka, durchfuhr es sie. Ich muss ihr helfen.
Sie versuchte sich zu orientieren.
In einem der angrenzenden Zimmer musste sie doch sein. Sie wagte sich nicht auszumalen, was mit ihr geschehen war.
Was sollte sie nur tun?
Die Gestalt trat einen weiteren Schritt auf sie zu.
Und dann hatte Jana eine Eingebung.
Vielleicht könnte es funktionieren.
Wenn sie nur keinen Fehler machte.
Vorsichtig glitt ihre Hand in ihre Jackentasche. Sie ertastete das Mobiltelefon darin. Verborgen in der Tasche klappte ihre Hand es langsam auf.
Sie konnte nicht im Verzeichnis suchen, also musste sie die Nummer eintippen, Ziffer für Ziffer.
Sie begann fieberhaft zu überlegen.
0172, dachte sie. Das ist der Anfang.
Die Gestalt hatte sich zwei Schritte von ihr entfernt aufgebaut.
Sie war groß, sehr viel größer als sie.
Sprich, dachte sie. Du musst deinen Angreifer ablenken. Sprich ihn an, so gewinnst du Zeit.
»Was wollen Sie?«, fragte sie mit zittriger Stimme.
Ihr Daumen glitt über die Tastatur. Die Null war ganz unten, die Eins oben links, bei der Sieben und der Zwei war sie unsicher, aber ihr blieb keine andere Wahl. Sie suchte die nächste Taste: Eine 3. War das richtig? Ja, das müsste stimmen.
»Sagen Sie, was wollen Sie von mir?«
Sie hörte die Gestalt schnaufen.
Aber auch das klang hohl und verzerrt.
Es ist eine Maske, dachte sie, nur eine Maske.
Und womöglich war darunter ein kleines Mikrophon mit einem Stimmenverzerrer versteckt. Oder dieser Mensch unter der Maske hatte ein Kehlkopfleiden.
Fass es in Worte, dachte sie, wehre dich mit deinem Verstand, lass die Angst nicht übermächtig werden. Es ist ein Mann, der sich eine Maske aufgesetzt hat. Er will dir Angst einjagen, aber diesen Gefallen wirst du ihm nicht tun.
»Antworten Sie. Was wollen Sie?«
Eine 3 und noch einmal eine 3, ’33, das Geburtsjahr ihres Vaters, so hatte sie sich die Nummer doch gemerkt. Sie versuchte sich das Ziffernblatt ihres Handys vorzustellen. Die Drei war oben rechts, wenn sie sich nicht täuschte. Sie durfte sich keinen Fehler erlauben.
»Hier wohnt doch eine Franka Wiese, nicht wahr?«, sagte sie möglichst gefasst. »Ich muss dringend zu ihr. Also sagen Sie, wo kann ich sie finden?«
Ja, dachte sie, weiter so, das bringt ihn vielleicht aus dem Konzept.
Sie sah, wie die Gestalt mit den Schultern zuckte.
Sie drückte blind auf die Taste. Danach kam die Neun, sie vermutete sie zwei Stellen unter der Drei.
Da sagte die Gestalt plötzlich: »Jana.«
Ihr Atem stockte.
»Wie schön, dass du gekommen bist.«
»Sie kennen meinen Namen?«
»Natürlich kenne ich den. Ich weiß einiges über dich.«
Die nächste Ziffer war die Vier, 9.4., ihr Geburtstag. Um Himmels willen, sie durfte jetzt nichts durcheinanderbringen.
Also die Vier drücken, wo war die Vier? Unter der Eins. Ihr Finger glitt, versteckt in der Jackentasche, über die Tastatur.
»Ich habe mich auf dich gefreut, Jana.«
Jetzt war sie doch durcheinandergekommen. 0172 33 94 und dann? Sie überlegte fieberhaft.
»Nun bist du also endlich da. Und ich habe eine Überraschung für dich.«
Ihr fehlten noch drei Ziffern. Kam jetzt eine Acht?
Die Gestalt trat noch dichter an sie heran, die Messerspitze, die aus der Maske ragte, war nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Sie hatte nicht mehr viel Zeit.
Eine Fünf und eine Null.
War das richtig? Acht, fünf, null?
Egal, sie musste es einfach versuchen.
Die Fünf war in der Mitte der zweiten Reihe, direkt darunter die Acht.
Die Null war ganz unten, sie durfte jetzt nur nicht danebendrücken.
Geschafft. Und nun
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