Der Fehler des Colonels
zwanzig. Noch einer von den Tausenden, die das Ölgeld nach Baku gezogen hatte, noch einer, der versuchte, aus seiner Erfahrung als Navy SEAL Kapital zu schlagen. Nur, dachte Mark, kam Decker leider zu spät. Vor einem Jahrzehnt war Baku wie der Wilde Westen im Goldrausch gewesen. Aber die großen Wachdienste hatten Baku längst entdeckt und übernommen.
»Du siehst nicht aus wie ein SEAL. Du bist zu groß.« Gute eins neunzig und breitschultrig. Typen in Deckers Größe waren meist zu langsam und ungeschickt für das Training.
Decker verzog das Gesicht ein wenig. »Bist du immer so nett?«
»Bist du bewaffnet?«
Decker zog seine Hosenbeine hoch und brachte eine kurznasige Glock an einem Knöchel und ein zehn Zentimeter langes Kampfmesser am anderen zum Vorschein.
Mark zuckte mit den Schultern. »Okay, John Decker. Das genügt. Suchen wir deinen Schutzbefohlenen.«
Peters’ Wohnung – die angeblich leere in der Aslanov-Straße – war abgeschlossen, aber Mark hatte ein paar kleine Dietriche mitgebracht.
»Alte Schule. Ganz schön clever«, sagte Decker, als Mark mit der Arbeit begann. Als er ein paar Minuten beobachtet hatte, wie Mark ohne Erfolg versuchte das Schloss zu öffnen, meinte Decker: »Weißt du, es gibt jetzt elektronische Dietriche. Ich habe vor ein paar Jahren damit gearbeitet. Die sind super.«
»Ist das so?«
»Ja, man steckt sie nur rein und sie machen die Arbeit für dich.«
»Hast du einen dabei?«
»Nein.«
»Worauf willst du dann hinaus?«
»Auf nichts, schätze ich.«
Nach einer weiteren Minute war die Tür offen.
Mark für seinen Teil war nicht sehr überrascht über den Zustand, in dem er Leonard Peters fand. Schon bevor er die Leiche in der Badewanne entdeckte, hatte er die Kratzer an dem Schloss gesehen. Dann war da noch der umgefallene Aschenbecher im Wohnzimmer und Peters’ alberne Pfeife – Mark hatte schon immer vermutet, Peters hielte sich für eine Art Sherlock Holmes – entzweigebrochen auf dem Wohnzimmerboden.
Es war eine kleine Wohnung, aber Peters hatte sich hier offenbar mit Sorgfalt eingerichtet – weiche Ledersofas aus der Türkei, eine teure Espressomaschine, dunkelblaue Vorhänge … Das Bett war gemacht. Außer den wenigen Sachen im Wohnzimmer und in der Küche, die herumlagen und auf einen Kampf schließen ließen, war alles ordentlich.
Mark ging zurück ins Badezimmer und untersuchte den Toten. Hinter ihm stand Decker mit gezogener Glock. An Peters’ Armen waren Schusswunden, Mark fand aber auch präzise Einschüsse an Kopf und Brust, die ihn an das Gemetzel im Trudeau House erinnerten.Der Leichnam ruhte in einer sitzenden Haltung, ein Arm hing über den Badewannenrand wie eine moderne Version von
Der Tod des Marat
.
Blauviolette Totenflecken waren auf der Hand zu sehen. Mark drückte leicht mit Zeigefinger und Daumen darauf. Peters’ Haut blieb violett. Arm und Finger waren steif. Er war keine Experte und den Todeszeitpunkt zu schätzen, noch dazu in dieser erstickend heißen Wohnung, war im besten Falle Glückssache. Aber er nahm an, dass Peters ungefähr so lange tot war wie die Leute im Trudeau House.
»Du kontaktierst am besten deinen Kontaktmann in der Botschaft.« Mark sah Decker an.
»Ja, Sir.«
Aber Decker rührte sich nicht. Mit fest zusammengepressten Lippen atmete er durch die Nase und starrte Peters an. Schweiß glitzerte auf seiner Stirn. Es war heiß, bestimmt über fünfunddreißig Grad. Hinter Decker strömte Sonnenlicht durch die Glasschiebetür, die auf den Balkon führte. Mark hatte an einem Fenster eine Klimaanlage gesehen, aber sie war ausgeschaltet.
»Komm«, sagte Mark. »Wir haben genug gesehen.«
Decker bewegte sich immer noch nicht, also drehte Mark sich um und nahm ihn am Ellbogen. »Komm schon, Kumpel, lass uns etwas frische Luft schnappen.«
Sie traten hinaus auf den Balkon, wo Decker sich hinhockte und einen Moment lang seinen großen Kopf in den Händen vergrub. »Es ist nur die Hitze«, murmelte er.
»Verglichen mit dem Wetter letzte Woche ist das gar nichts.«
Decker atmete tief ein. »Ich rufe die Botschaft an.«
»Das ist eine gute Idee.«
In diesem Augenblick bemerkte Mark einen irritierenden Lichtblitz, wie ein verirrter Sonnenstrahl, der auf sein Auge gerichtet war. In der nächsten Sekunde wurde er von Decker zu Boden geworfen.
Für einen Moment wurde alles schwarz. Als er wieder zu sich kam, lag Decker auf ihm.
Alle Luft war aus seiner Lunge entwichen, sodass er nicht sprechen
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