Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fehler des Colonels

Der Fehler des Colonels

Titel: Der Fehler des Colonels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Mayland
Vom Netzwerk:
Gläsern, hinter denen ihre Augen unnatürlich groß wirkten.
    »Schwester Daria«, sagte sie und öffnete die Arme. »Es ist lange her.«
    Ihre Miene spiegelte aufrichtige Wärme, war aber nicht frei von Sorge. Und vielleicht Angst, dachte Mark.
    »Willkommen in Ashraf«, fuhr sie fort. »Ich freue mich, dass du in der Stunde der Not zu uns kommst.« Als sie sich Mark zuwandte, wurde ihr Ausdruck hart. »Und wer ist dein Freund?«

49
    Mark fragte sich, ob Daria ihn wieder einmal hinters Licht geführt hatte.
    Wenige Minuten nach ihrer Ankunft in Ashraf verschwand sie mit der Brillenträgerin – offenbar die Campkommandantin – zu einer privaten Besprechung, während er, womöglich als Gefangener, ans andere Ende des Lagers geführt wurde, um mit ein paar grimmigen Volksmudschahedin Tee zu trinken.
    Vor einer Männerunterkunft setzten sie sich auf einer Betonveranda in den Schatten.
    Die Soldaten wirkten nervös, bald sahen sie Mark an, bald ließen sie den Blick über die Grenzen des Camps wandern, als rechneten sie jeden Moment mit einem Angriff. Jenseits einer ausgedörrten Wüstenfläche erhob sich ein irakischer Wachturm.
    »Hat meine Freundin gesagt, wann sie mich wieder abholt?«, fragte Mark.
    »Nein.«
    Neben der Veranda befand sich ein Gemüsegarten. Nach einigen Minuten des Schweigens erklärte einer der Soldaten mit streitbarem Stolz, dass sie hier einen Großteil ihrer Lebensmittel selbst anbauten, dass die Volksmudschahedin dieses Camp im Lauf der Jahre aus dem Nichts aufgebaut hätten und es den Irakern nie gelingen würde, es zu schließen. Ob Mr Sava wisse, dass es hier einen Swimmingpool gab?
    Auf dem Weg hierher hatte Mark einen flüchtigen Eindruck von dem »Swimmingpool« bekommen. Das Wasser war abgelassen und aus den Rissen in der Betoneinfassung wuchs Unkraut. Und der Gemüsegarten vor ihm bestand praktisch nur aus einer kläglichen Ansammlung von Buschbohnen und Reihen mit verwelktem Salat.
    Selbst die Soldaten wirkten welk. Und die Uniformen an ihren mageren Körpern saßen zu locker.
    Nein, in diesem Flüchtlingslager gab es nichts, worauf man stolz sein konnte, dachte Mark. Es war ein erbärmliches, staubiges, elendes Drecksloch im Belagerungszustand mitten in der Wüste. Und die Menschen, die hier lebten, machten sich etwas vor, wenn sie glaubten, sie könnten das Regime im Iran stürzen. Es war das Erbe eines Traums, an den die Narren sich zu lange geklammert hatten.
    Gelegentlich marschierten gemischte Abteilungen der Volksmudschahedin-Soldaten im Eiltempo auf einer nahen Straße vorbei – als ob hier etwas eilte. Mark fand den Anblick entmutigend. Ebenso das gerahmte Foto von Maryam Minabi, das an einem Pfosten in einer Ecke der Veranda hing. Sie hatte grüne Augen und ein breites Lächeln, um ihren Kopf lag lose ein grüner Schal. Mark erinnerte sich, dass sie die Führung der Volksmudschahedin übernommen hatte, nachdem ihr Mann während des Irakkriegs verschwunden war. Jetzt lebte sie in Frankreich im MEK-Hauptquartier und hielt Reden, die sich kaum jemand anhörte.
    Er deutete auf das Foto. »Ist sie schon mal aus Frankreich angereist, um euch hier an der Front zu besuchen?«
    Seine Frage erntete Schweigen und einen bösen Blick von dem Soldaten neben ihm.
    »Es muss hart sein, wenn man die Basis nicht verlassen kann«, versuchte Mark es ein wenig später, als er es müde wurde, wortlos seinen Tee zu trinken.
    »Man muss bereit sein, für die Freiheit einen Preis zu bezahlen«, erwiderte der Soldat wie ferngesteuert.
    »Hmm«, stimmte Mark zu.
    »Ich zeige Ihnen etwas.« Der Soldat ging und kam mit einem Ringordner zurück. Beweise, so sagte er, für die Gräueltaten der Mullahs gegen die Volksmudschahedin und das iranische Volk. Der Soldat schlug Fotos von grausigen Hinrichtungen auf und klare Dokumentationen entsetzlicher Folterungen: geschundene Körper, verbrannte Gliedmaßen …
    Es entsprach der Wahrheit, das wusste Mark, all diese Tragödien. Und für die betroffenen Familien kam es einem Holocaust gleich.Aber er hatte aus dem Iran – und übrigens auch aus dem Irak und Armenien – so viele ähnliche Geschichten gehört, dass er gegen das Elend abgestumpft war.
    Er wünschte, Daria würde auftauchen.

50
    Eine halbe Stunde später kam sie im Eilschritt.
    »Komm mit.«
    Daria legte ein solches Tempo vor, dass er laufen musste, um sie einzuholen.
    »Wo gehen wir hin?«
    »Der ursprüngliche Campkommandant, der Mann, der gewusst haben könnte, ob das Uran

Weitere Kostenlose Bücher