Der Feigling im Dunkeln (German Edition)
der Luft
und nach all den Gesichtern, die vor ihnen auftauchten und sie
verhöhnten. Sie hatten die Schneestürme hinter sich
gelassen und waren vor Höllenhunden geflüchtet, schwarze
Ritter hatten sich ihnen in den Weg gestellt und alle hatten die
Geschwister sie überwunden.
Hier
standen sie nun, wie aus dem Nichts waren schwarze Berge aufgetaucht.
Mehr Feinde? Was stellte das Böse ihnen jetzt in den Weg?
Schatten
huschten im Dunst des Tagesanbruchs zwischen den dunklen Gebilden hin
und her. Maus sah sie nur aus dem Augenwinkel, hörte ihr leises
Schnattern. Das waren keine Höllenhunde und auch keine schwarzen
Ritter. Die hier waren etwas anderes.
Ratte
griff ihre Hand fester und zog sie vorsichtig hinter sich, dann zog
er seinen Dolch und machte sich bereit zum Kampf.
Dummer
Kerl, ein Schurke kämpfte doch nicht. Rennen mussten sie,
flüchten! So waren sie davon gekommen und so würden sie
wieder davon kommen.
Doch
diese Schatten waren schwach, keckernd wichen sie vor der Klinge
davon, diesem glimmernden Stück Metall, als sei es ein mächtiger
Zweihänder.
Maus
hielt den Atem an, noch war es zu früh sich zu entspannen. Der
Nebel war undurchdringlich um sie herum, die Gespenster schienen
überall zu sein.
Wichen
sie zurück oder sammelten sie sich nur? Wenn sie hier angriffen-
Plötzlich
spürte Maus eine eiskalte, knochige Hand an ihrer Schulter.
Sofort schrie sie auf und Ratte fuhr herum, stieß zu.
Das
Gespenst materialisierte sich innerhalb eines Wimpernschlags, es sah
aus wie ein Toter. Wachsartige gelbe Haut spannte über
hervorstehende Knochen, die trüben Augen schienen riesengroß
in diesem ausgehungerten Gesicht. "Es ist tot!", schrie
Maus Ratte zu. Ihr Bruder stach jedoch weiter zu. Wässriges Blut
quoll aus den Wunden und das Ding stolperte jaulend zurück.
"Jetzt!",
rief Ratte und zog Maus hinter sich her. Gemeinsam rannten sie so
schnell sie konnten, versuchten irgendwie die Richtung beizubehalten.
Nach hinten zu sehen wagte keiner von ihnen, doch sie hörten das
Jammern und Heulen der Gespenster. Ratte hielt noch immer den
blutigen Dolch vor sich ausgestreckt, sollten sie doch sehen, was er
zu tun im Stande war. Niemand griff sie mehr an und so verlangsamten
sie nach einer Weile ihre Schritte und lauschten. Kein Laut war zu
hören, kein Schatten bewegte sich mehr. Wenn sie noch da waren
versteckten sie sich gut.
Ratte
hielt Maus Hand noch immer fest umklammert, während sie beide
mühsam versuchten zu Atem zu kommen. Nach einer Weile in der
sich noch immer nichts rührte begannen sie sich vorsichtig
umzusehen.
Die
riesigen Schatten entpuppten sich als Häuser. Viele waren
eingestürzt und nur noch bröckelndes Mauerwerk blieb übrig,
aber einigen war ihre ehemalige Pracht noch anzusehen.
"Ist
das-"
Ratte
tastete sich an einer der glatt polierten Wände entlang, als
sein Fuß mit einem hohlen, metallenen Geräusch gegen einen
am Boden liegenden Gegenstand stieß.
"Sind
wir da? Die Schwarze Stadt der Könige?"
Er
kniete sich hin und klopfte erneut vorsichtig gegen das Ding vor ihm.
Es war eine Glocke, aus angelaufener Bronze und uralt.
"Wir
sind da... wir müssen die Burg finden!"
Auf
einmal war seine Stimme voller Vorfreude und auch Maus verspürte
wieder dieses Gefühl von Abenteuer und Heldensagen, das sie am
Anfang ihrer Reise begleitet hatte.
Die
beiden irrten noch eine ganze Weile in der Stadt umher bis sie
endlich auf ihr Ziel trafen.
Eine
Schlucht tat sich vor ihnen auf, Dunst verdeckte ihnen die Sicht auf
den Grund.
"Der
Burggraben!", sagte Ratte.
Maus
staunte nur lautlos.
"Sollte
da nicht Wasser drin sein?", piepste sie schließlich.
Ratte
ließ einen Stein in die Tiefe fallen, es gab ein trockenes,
knirschendes Geräusch, als er auf dem Boden auftraf.
"Es
ist nicht so tief, glaube ich... wir könnten springen."
Sie
standen eine Weile vor dem Abgrund und starrten in den dicken, weißen
Dunst. Schließlich seufzte Maus auf. "Bereit?"
"Bereit.",
antwortete ihr Bruder und Hand in Hand sprangen sie ins Nichts.
Als
ihre Füße den Boden trafen begrüßte sie das
selbe Knirschen wie zuvor bei dem Stein.
Ratte
wäre beinahe gestürzt, ärgerlich trat er gegen den
Boden. Teile lösten sich und rasselten davon, bis sie ein Stück
weiter zum Stehen kamen.
Maus
bückte sich und hob eins davon auf. Knochen. Länger und
schwerer als die meisten, die sie auf ihrem Weg gefunden hatten. Die
Zeit hatte sie gebleicht und die Feuchtigkeit im Graben hatte sie
modern lassen.
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