Der Feigling im Dunkeln (German Edition)
traute, die Tiere schienen friedlich
zu sein wie sie so grasend über die weiten Ebenen zogen.
Es
war ein langer Tag gewesen und die Arbeit hatte jede Faser in Yres
Körper schmerzen lassen. Lange Wege war sie mittlerweile gut
gewohnt, aber Arbeit mit ihren Händen war noch etwas anderes.
Doch
auch der längste Tag hat einmal ein Ende und schließlich
saß sie mit der alten Frau in deren Hütte und bekam noch
mehr von den Früchten ihrer Arbeit zu essen und zu trinken.
"Wir
haben hier leider nur Graudornen und das Gelbgras. Der Grim ist nicht
weit, die haben noch Schwämme und sowas. Der Grim ist ein Fluss,
der fast durchs ganze Land geht, weißt du? Hier haben wir den
Obergrim, das ist der nördliche Lauf des Grim. Weiter im
Nordwesten haben die vor allem Drachenfleisch zu essen. Das ist eine
Pflanze mit Pieksern, ich hab sie mal gesehen. So ein großes,
rotes Ding mit vielen, langen Stacheln. Aber es schmeckt ganz gut!
Und den Saft macht man zu Wein und Schnaps und so. Ich hab mal
versucht Likör aus Dornsaft zu machen, aber das wird nichts.
Ungenießbar, pfui."
Yre
hörte aufmerksam zu wie die Alte sprach. So viel neues über
diese Welt, sie hatte lange darauf gewartet endlich mehr zu erfahren.
"Ich
seh nicht mehr so gut in meinem Alter.", begann sie zu erzählen,
"Aber als ich selbst noch ein kleines Mädchen war, da hab
ich auch oft den Leuten auf dem Feld geholfen. Meine Eltern sind
schon früh gestorben, weißt du? Deshalb hab ich immer den
Leuten geholfen und sie haben mir dafür ein wenig Essen und ein
paar Geschichten gegeben. Wenn man das lange Zeit macht hat man
irgendwann so viele Geschichten von überall her angesammelt.
Hier kommen ja auch viele Händler vorbei! Die wissen auch immer
viel."
Sie
lehnte sich schwerfällig gegen die Wand und sah Yre aus
verschwommenen Augen an.
"Möchtest
du auch eine Geschichte hören, Kind? Oder bist du dafür
schon zu groß?"
"Sehr
gerne! Ich möchte gerne mehr erfahren, von weit entfernten
Ländern und den Menschen dort."
Die
Alte schenkte ihr ein zahnloses Lächeln und fuhr fort.
"Ferne
Länder kenne ich nicht viele. Ich weiß vom Außenland,
wo es einen Kaiser gibt. Und Sklaven haben die da, da kann ein Mensch
andere Menschen besitzen. Aber die einzigen richtigen Geschichten aus
fernen Ländern die ich kenne, sind die vom Feigling. Kennst du
die Geschichte vom Feigling?"
Yre
verneinte und die Alte räusperte sich und begann.
"Der
Feigling war ein großer König, damals vor dem Feuer. In
der Kristallwüste hat er gelebt und seine Stadt war die Schwarze
Stadt der Könige. Eine prachtvolle Stadt, sagt man. Bestimmt
sind heute nur noch Ruinen davon übrig. Vor dem Feuer war das
ein guter Herrscher, sagen alle. Selbst die, die ihn hassen, sagen
das. Aber als das Feuer kam hat er sein wahres Gesicht gezeigt."
Yre
lauschte mit großen Augen den Worten der Frau, von der Zeit des
Feuers oberhalb der Erdoberfläche wussten Ilfen nichts.
"Der
Feigling hat in einer großen Burg gewohnt, mit einem Burggraben
drum herum. Man sagt, das Feuer hätte nicht bis in seine Burg
gereicht. Aus irgendeinem Grund war er verschont geblieben. Man
nannte ihn auch den Himmelssohn. Das Wüstenvolk glaubte, dass
ihr König der einzig wahre war und vom Himmel selbst gesandt
wurde. Deswegen waren sie ihm auch so treu ergeben und haben ihn
schon richtig angebetet. Aber als das Feuer kam und das Volk zu ihrem
Herrscher und Meister eilte, um ihn um Hilfe anzuflehen. Was hat er
da getan? Er hat ganz schnell die Zugbrücke hochziehen lassen.
Und draußen tobte das Feuer und er stand auf den Zinnen und sah
sein Volk brennen, aber das alles interessierte ihn nicht. Die
besonders treuen haben sich in den Burggraben gestürzt um zu ihm
zu schwimmen, aber das Wasser war so heiß, dass es dampfte und
sie sind alle bei lebendigem Leibe gekocht worden. In der Burg selbst
ist es schön kühl geblieben sagt man. Nicht eine Flamme
loderte da und der feige Zir Cyron hatte sogar noch seinen Garten und
Tiere, die es früher gab. Der feige Kerl ist noch richtig alt
geworden und danach saßen seine Kinder auf dem Thron und haben
so getan, als würden sie das Land regieren. Aber sie sind zu
feige, überhaupt ihre Burg zu verlassen. Zir Cyron war der erste
Feigling. Der, der sein Volk hat brennen lassen. Aber die, die danach
kamen waren nicht besser. Um zu überleben haben sie ihre
Bediensteten gefressen, wie wilde Tiere. Und noch immer sitzt da ein
Mann auf einem Thron hinter den dicken Mauern und spielt
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