Der Feigling im Dunkeln (German Edition)
sich zu ihnen.
Es
waren frisch gebrannte, die er sah. Ein oder zwei tatsächliche
Brüder waren unter ihnen, aber die meisten standen mit noch
fleischig glänzendem Hals vor ihm und sagten brav ihre Sprüche
auf.
Es
klang recht lächerlich, wie ein Haufen Bauernkinder gleichzeitig
versuchte ihre schlecht auswendig gelernten Wörtchen zu
präsentieren, er verstand kaum etwas.
Doch
er hatte das Gebrabbel oft genug gehört und die Worte auch so zu
kennen.
Unsere
Götter, höchst' Gewalt.
Unsere
Sünde in der Welt.
Gesandtes
Feuer, der Sünde Not.
Mach
uns rein, mach uns tot.
Lass
uns brennen, lass uns leben.
Neues
Leben, reines Leben.
Einer
der älteren Ordensbrüder, der seinen Eid schon vor längerer
Zeit geleistet hatte, trat vor, mit Feuer in den Augen.
Feuer,
wie man es bei einem Mann erwartete, der bereits drei Becher Schnaps
vom Drachenfleisch geleert hatte.
"Sünder!"
brüllte er. "Sünder, wie ihr sie euch nicht vorstellen
könnt! Damals! Vor dem Feuer! Es gab Mord und Totschlag für
so nutzlose, eitle Dinge wie Gold und Juwelen!"
Die
Menge gab ein zustimmendes Grummeln von sich, dem Prediger stand
Schaum vor dem Mund und er wankte leicht.
"Und
die Könige waren kranke, verkümmerte Gestalten, von der
Inzucht zerfressen!"
Sein
Kopf war mittlerweile so rot, wie die Flüssigkeit in seinem
Becher es war. Die Robe die er trug war fleckig und der Geruch den
sie absonderte schier atemberaubend. Es war der süßliche
Gestank der vergorenen Drachenfleischkaktee; er fragte sich, wie die
Menschen das genießen konnten. Vielen blieb wohl nichts
anderes, um dieser Welt zu entfliehen.
"Dekadenz
und Eitelkeit gab es. Ich erzähl's euch!"
Der
Fremde konnte nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken.
"Und
Alkohol!", rief er dazwischen. Er konnte nicht widerstehen.
Nicht, nachdem er exakt diese Predigt im letzten Dorf von einer
anderen Ordensgruppe gehört hatte.
Die
Blicke, die man ihm zuwarf, waren voll Verwunderung. Einige hatten
nur einen flüchtigen Blick über die Schulter geworfen und
sich sogleich wieder abgewandt, andere hatten sich vollends umgedreht
und sahen ihn nun erwartungsvoll an.
Es
waren diese Blicke von Leuten, die Antworten suchten. Die Blicke, die
für den Orden bestimmt waren. Sie waren so suchend, flehend,
dass es ihn krank machte daran zu denken, wie der Orden diese
Verzweiflung missbrauchte, um sie mit ihren verdrehten Ideen zu
füllen. Was immer er nun sagte, sie würden ihm vermutlich
jedes Wort glauben.
Es
irritierte den Fremden, aber da war mehr. Da war eine Möglichkeit,
und er ergriff sie.
"Leute!"
er stellte sich vor die Traube von Predigern, den Dorfleuten
zugewandt. Ganz oder gar nicht.
"Es
gab einen Fürsten, der hat an einem Stück gesoffen. Morgens
saufen, mittags saufen und abends saufen. Er hat das klare Zeug
gesoffen. Das, das brennt, wenn man es trinkt oder anzündet.
Sein Volk hat geschuftet auf den Feldern, um ihrem Herrn Tribute zu
zollen, weil sie ihn so angebetet haben, denn er war ja ein Fürst,
und er war besser als sein Volk. Und er hat gesoffen und gesündigt
und nach dem Sündigen noch mehr gesoffen. Seine Stadt wimmelte
von seinen Bastarden und er hat im Suff das Gold nur so zum Fenster
herausgeworfen. Dann kam das Feuer!"
Er
wirbelte einmal um die eigene Achse.
"Und
wisst ihr alle was gut brennt?"
Ein
Blick in die verwunderte Runde von Frischgebrannten.
Darauf,
ihnen eine Antwort zu geben, verzichtete er, er zeigte sie ihnen.
Er
schnappte sich eine der Fackeln von einem schlaksigen Ordensjungen
und richtete sie auf den betrunkenen Prediger.
Kalte,
tote Finger streckten sich ihm aus seiner Vergangenheit entgegen,
leiteten seine Hände.
Der
Mann fing sofort Feuer.
Ein
Aufschrei ging durch die Menge und Panik brach aus.
Die
Flammen loderten an den Alkoholflecken auf seiner Robe auf und
leckten an seinem Gesicht wie ein Flammenbart.
Der
Fremde warf die Fackel beiseite und grinste hämisch.
"Du
bist rein!" Er streckte die Arme von sich und blickte gen
Himmel, die Mundwinkel noch immer zu einem irren Grinsen verzerrt,
doch innen drin loderte Wut, wie er sie noch nie verspürt hatte. Doch,
einmal. Er blickte hinab auf den brennenden Mann und er sah alles, was er
hasste. Alles. Feuer. Er holte tief Luft, einmal, zweimal. Es reichte nicht. Es würde
nie reichen. Sie würden nie verstehen. Er schüttelte den
Kopf.
"Unsere
Götter, höchst' Gewalt.", rezitierte er nun, mit aller
Ruhe der Welt in der Stimme, "Unsre Sünde in der
Welt...Gesandtes Feuer,
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