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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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gehört. Aber wissen kann man’s nie. Werde mich darum
kümmern. Dein Bärbelchen wird heftig enttäuscht sein.«
    »Ohne Zweifel.«
    »Andererseits... ganz erloschen ist ihr
Interesse nicht.«
    »Wieso?«
    »Sie hat heute ein bißchen Detektiv
gespielt.«
    Der Feigling nahm den Hörer in die
rechte Hand und legte die linke auf sein Auge. »Was?«
    »Jaja. Sie war bei Günther in seiner
Stinkhöhle, kam zufällig vorbei, Parfüm holen und so. Der Gute war voll bis zur
Binde. Sie mußte ihn auf seinen Thron heben, und dann lallte er ihr was vor von
Napoleon und Ägypten. Viel hat sie nicht erfahren. Ja. Und dann ist sie zum
alten Meise durchgestoßen, ans Sterbebett. Da wollte sie auch erst auf
Krankenbesuch machen, aber dann brachte sie’s nicht übers Herz, dem alten Mann
ins brechende Auge zu schwindeln. Sie wollte wissen, was mit dir los ist, warum
du so feige warst...«
    »Meine Pflicht, werde dafür bezahlt.«
    »Jaja. Du bist dein Geld wirklich wert,
Jakob Angsthase. Aber das süße Kind wollte zornentbrannt ihre Bilder holen, die
sie dir verehrt hatte in einer Stunde der Zuneigung. Und dabei hat sie dein
Kreuzchen gefunden.«
    Ein Gefühl pelziger Kälte kroch dem
Feigling an der Wirbelsäule hoch. Er rührte sich nicht und schwieg.
    »Da begann der böse Wurm des Zweifels
an ihr zu nagen, Jakob. Sie suchte im Telefonbuch nach Adressen, aber sie fand
nur Meise und Napoleon den Vierten. Und so erfuhr auch ich von ihrer Tätigkeit.
Die Welt ist klein. Alles spricht sich herum.«
    Hase stieß den Atem scharf in den
Hörer. »Verflucht«, sagte er. »Meinst du, sie...«
    »Nein, nein. Die Zentrale hat ihr gute
Zensuren gegeben. Ich auch. Sie wird dich mögen, das ist alles. Aber du siehst,
wie man aufpassen muß.«
    »Ich sehe es.« Sein Gesicht war jetzt
böse und hart, ohne daß er es bemerkte. »Was soll ich machen?«
    »Das will ich dir sagen, du trüber
Casanova. Du legst dich auf dein Schmerzenslager und kühlst dein Auge. Recht
regelmäßig. Es muß bald wieder normal aussehen und nicht beim Schießen hindern.
Und dann faltest du die Patschhändchen und betest recht schön, daß du lebendig
heimkommst am Dienstag.«
    »Dienstag?« Sein Hals wurde trocken.
»So plötzlich?«
    »So plötzlich. Die Zentrale erzählt
immer alles in letzter Minute.«
    »Ganz gut. Weniger Zeit für die vollen
Hosen.«
    »Genau. Die Herrschaften sind
unterwegs. Das Empfangskomitee wird gebraucht. Schwarzer Anzug erbeten.«
    »Alle Achtung. Nichts geht über gute
Verbindungen. Wird jemand beerdigt?«
    »Weiß ich noch nicht. Vielleicht der
Herr, der Willy das Reisegeld geliehen hat. Vielleicht auch wir selbst. Ist
dein Nachlaß geordnet?«
    »Ich hab’ schon ‘ne Grabinschrift.«
    »Warst immer schon unser
Ordentlichster«, sagte der Unbekannte. »Näheres folgt. So long.« Dann machte er
Schluß.
    Der Feigling hielt den Hörer am Ohr
fest und hörte das Freizeichen, klagend und endlos.
    Die Stimme. Wo hatte er die Stimme
schon gehört? Sie war verstellt, ausgezeichnet, aber es war etwas drin, was er
kannte und was der andere nie herausbringen würde.
    Gleichgültig. Es war alles ziemlich
gleichgültig jetzt. Es ging los, dann würde es vorbei sein, so oder so.
Endlich. Viel besser als die Warterei.
    Er drehte ein Ohr zur Tür, legte den
Hörer voller Behutsamkeit zurück.
    Draußen hatte es geklingelt.
    Wieder klingelte es an der Wohnungstür
des Feiglings, diesmal länger, dringender. Jakob Hase hatte die Worte des Chefs
noch im Ohr:
    Das Reisegeld für Willy ins Jenseits.
Kam jemand, um es auch ihm zu bringen?
    Der Revolver war in einem schmalen Fach
unter der Marmorplatte des Fensterbretts, nicht leicht zu finden, aber schnell
zu erreichen. Beim Durchladen knackte er, die Sicherung machte nur ein leises
Klicken. Der Feigling schob ihn in die Tasche und behielt die Hand darin. Er
ging zur Korridortür, drückte auf den Offner und wartete. Er richtete den Lauf
des Revolvers in der Tasche auf die Tür. Dann ging er tief in die Knie und
öffnete mit der linken Hand.
    Draußen stand Barbara. Ihre Tasche
hatte sie über die Schulter gehängt. In der linken Hand hielt sie ein kleines
Paket. Sie sah über den Feigling hinweg ins Leere, dann herunter zu ihm mit
überraschten Augen.
    »Was machst du denn?«
    Er nahm die Hand aus der Tasche, kam
langsam hoch. »Ich übe Abducken«, sagte er. »Wollte nicht wieder eins aufs Auge
kriegen.«
    Sie schloß die Tür. »Tut’s noch weh?«
    »Ja.«
    »Armer Greis.«
    Sie sagte es aufrichtig,

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