Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
Vom Netzwerk:
leise.
    »Verschwinde! Sie schnappen dich sonst
hier. Mach es gleich, hörst du! Sag dem Chef nichts! Leg sie um, und dann
erzähl ihm, was los war! Dann kann er nichts mehr ändern. Ruf sie an.
Vierundachtzig sechsundvierzig elf.«
    »Vierundachtzig sechsundvierzig elf.«
    Hase nickte. »Sag, sie soll in meine
Wohnung kommen. Nimm dir den Schlüssel. Rechts oben, außen.«
    Der kleine Fuchs nahm ihn.
    »Sag, du müßtest vom Ausflug erzählen.
Ich käme später. Sag irgendwas.«
    »Ich sag schon was.«
    Noch einmal öffneten sich die Augen.
»Fein, Siegfried. Sehr fein. Denk an uns. An die beiden hier. An Willy.«
    »Ich denke dran.«
    »Hau ab!«
    »Soll ich dich raufschleppen? Aufs
Bett?«
    »Nein. Ich will hierbleiben, bei ihnen.
Gib mir ‘ne Pille.«
    Der kleine Fuchs gab ihm zwei von den
Tabletten, die sie immer mithatten im Einsatz. »Ich ruf an, wenn ich drin bin.
Laß dich abholen. Penn ein bißchen!«
    Der andere antwortete nicht mehr. Er
drehte den Kopf zur Seite.
    Fuchs strich ihm über die Stirn, strich
den Schweiß weg. Er ging hin zu den beiden Toten, berührte ihre Köpfe, so sanft
wie er konnte.
    Dann war er draußen. Die Tür ließ er
unverschlossen. Die Sanitäter mußten rein in die lausige Grabkammer, und lange
würde es sowieso nicht dauern und Leute würden auftauchen. Höchste Zeit, zu
verschwinden.
    Das erste fahle Blau der beginnenden
Dämmerung war über den Himmel gespannt. Wenige Stunden noch, dann loderte es
über den Toten. Alle Linien waren schon schärfer, und die Dunkelheit gewährte
den Rest ihres Schutzes.
    Der kleine Fuchs lief schnell. Er mußte
zurück, es war noch viel zu tun. Sehr viel.
    Die drei Männer lagen nebeneinander im
taufeuchten Gras. Man würde sie vermissen zu Hause, aber nur kurze Zeit. Dann
würden sie vergessen sein. Sie waren jetzt besser zu erkennen, ihre
Fallschirmkombinationen, ihre geschnürten Stiefel. Der kleine Fuchs warf einen
flüchtigen Blick über sie, er hielt sich nicht auf.
    Er kannte sie nicht, hatte sie niemals
gesehen. Er wußte nicht, daß es Stefan und Klement waren, die der Tod
vornübergerissen hatte auf das Gesicht. Karel, der Anführer, lag auf dem
Rücken, als wollte er nur kurze Zeit rasten und dann wieder weiter. Der kleine
Fuchs konnte nicht sehen, daß sein Gesicht kaum verändert war. Es war
friedlich, zufrieden, ohne Hader über das Schicksal, als träumte er im Tod noch
vom Sieg seiner Sache.

IX
     
    Jakob Hase erwachte. Er tauchte aus der
Unendlichkeit eines schwarzen Schachtes. Wie ein Korken schoß er über die
Oberfläche hinaus, und dann war alles hell.
    Es war ein Krankenzimmer.
    Nicht sehr groß, das Fenster links, die
Tür rechts, ein Kreuz dem Bett gegenüber und schräge Sonnenstrahlen. Es war
nicht der Himmel, offenbar auch nicht die Hölle, vielleicht ein Mittelding, die
Station vor einem von beiden, mit leichtem Geruch nach Dampfheizung und
Desinfektion.
    Er fühlte das dicke Polster eines
Verbandes am Hals und über der Brust. Dann war alles wieder da.
    Die dunkle Diele. Dort hatte er
gelegen, bevor er weg war. Walter und Sebastian tot. Die anderen auch erledigt.
Der kleine Fuchs bei ihm. Und die Gedanken an Barbara, die ihn verraten hatte
und sie alle mit.
    Das Gefühl der matten Behaglichkeit
schwand jäh.
    Bärbel.
    Vielleicht lebte sie schon nicht mehr.
Der Kleine war auf ihrer Spur.
    Der Feigling sah zur Decke hinauf. Er
schloß die Augen. Die Helligkeit schmerzte. Vorhin, als es noch dunkel war, da
war alles klar gewesen, lückenlos. Jetzt kamen Bedenken und Zweifel an dem
Gebäude, das er selbst aufgerichtet hatte. Wenn sie es nicht gewesen war? Ein
Irrtum?
    Bloß nicht daran denken. Es war
schlimmer als die Schüsse, schlimmer als der Schmerz.
    Er mußte den Meister sprechen. Das war
es. Zum erstenmal hatte er auf eigene Faust gehandelt, ohne Auftrag.
    Es rächte sich, kaum daß ein Tag
vergangen war.
    Der Feigling versuchte, den Kopf zu
drehen. Nach rechts ging es einigermaßen. Nach links war es schwieriger, es
bohrte und brannte im Hals, aber schließlich schaffte er es.
    Der Nachttisch stand links. Er war
vollständig leer. Kein Glas, keine Blumen. Was für ein Unsinn. Wer sollte ihm
schon Blumen bringen?
    Er suchte nach einer Klingel. Nichts zu
sehen. Schöne Vorbereitung auf das Gefängnis.
    Eigentlich war alles in Ordnung. Er
lebte. Der Auftrag war erfüllt, trotz allen Mißgeschicks. Nur die verfluchte
Unruhe.
    Barbara. Der Chef. Fuchs.
    Die Tür öffnete sich.
    Hase sah das Gesicht einer

Weitere Kostenlose Bücher