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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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gesucht und sie gefunden. Hat sich hineingesteigert in ein Kriegsspiel, hat bei der rechten Fortschrittspartei und der rechten Kulturszene die entsprechenden Parolen aufgesogen und sie in seinem zunehmend kränker werden Hirn so zugespitzt, dass er den Eindruck bekam, eine Speerspitze der Bewegung sein und die Vernichtung von Liberalen, Demokraten, Frauen und Muslimen auch praktisch umsetzen zu müssen. Das nimmt seiner Tat nichts von ihrem Schrecken und entschuldigt gar nichts. Aber man sollte es sich nicht zu einfach machen und den Attentäter als „verrückten Einzeltäter“ abtun. Das ist er zweifellos. Und doch müssen wir fürchten, dass da draußen viele Breiviks herumlaufen, die noch nicht zugeschlagen haben, es sich aber derzeit bereits überlegen.
    Übrigens wurde kurz nach der Veröffentlichung des ersten Gutachtens, das Breivik eine schwere Persönlichkeitsstörung und eine paranoide Schizophrenie attestierte, ein zweites in Auftrag gegeben, ganz mit Breiviks begeistertem Einverständnis. In diesem zweiten Gutachten wurde er dann für voll schuldfähig angesehen. Dieses zweite Gutachten wurde inzwischen von zahlreichen Fachleuten als „Gefälligkeits-Gutachten“ einer rachedurstigen Öffentlichkeit zuliebe kritisiert. Zu Recht. Wer sich auf dieselbe Ebene begibt wie der Täter, also Gewalt und Zerstörung des anderen im Auge hat – hat schon verloren. Glücklicherweise hat die norwegische Öffentlichkeit allgemein sehr besonnen reagiert und sich eher mehr solidarisiert als je zuvor. Mich hat jedoch irritiert, dass man gleichzeitig allgemein der Ansicht war, dem Täter nicht zuhören zu müssen. Es geht ja nicht darum, einem Täter (das Gleiche gilt für Täterintrojekte in Opfern) wortwörtlich zuzuhören und alles für bare Münze zu nehmen, was er sagt. Doch der Versuch zu verstehen, was hinter den fanatischen Worten liegt, das könnte durchaus helfen, weitere Taten zu verhindern – vorausgesetzt, man lernt etwas daraus. Ein Indiz dafür, dass Norwegen vielleicht doch nicht genug gelernt hat: Die Rechtsradikalen haben wieder so viel Zulauf wie vor dem Breivik-Attentat. Etwa ein Drittel der Bevölkerung stimmte bereits ein Jahr nach Utoya wieder rechtsradikalem Gedankengut zu.
    16.4 Die Spitze eines Eisbergs von frustrierten jungen Männern
    Es lohnt sich also, die Gewalttäter in unserer Gesellschaft als die Spitze eines Eisbergs von frustrierten jungen Männern zu sehen, die nichts mehr zu verlieren haben, aber sich in einen gewalttätigen Machtrausch hineinsteigern. Die Eltern allein, die Gewaltspiele allein, die Politik allein ... kann man dafür nicht verantwortlich machen. Doch diese Taten sind oft kein Zufall. Sie sind Produkt der Umstände im Gehirn von immer verengter denkenden und fühlenden Männern. Und davon gibt es immer mehr.
    Auch auf der Ebene der nicht juristisch dingfest gemachten Täter sollten wir wachsam sein. Denn politisch lässt sich festhalten: Durch die Vernichtung der Mittelschicht, dank der Konzentration von Kapital in immer weniger Händen, die keine Hemmung haben, es den Ländern zu entziehen, aus denen sie es erhalten haben, und sie verarmen zu lassen, hat sich überall in den Gesellschaften Europas und der USA ein aufgeheiztes Klima gebildet, indem rechter Terrorismus, radikaler Islamismus und Linksterrorismus gleichermaßen gedeihen (s. auch Kapitel 2 „Krieg im Alltag“). Und Amokläufe, in denen verwirrte junge Männer ihre Lieblings-Horrorfilme nachspielen. Wie im Juli 2012 der 22-jährige James Holmes, der – unweit der Columbine-Hochschule, in der 1999 zwei junge Männer ihren persönlichen inneren Tötungsfilm verwirklichten – nachspielte, was er gesehen hatte; in diesem Fall sogar im Premieren-Kino, in dem er persönlich auftauchte, genauso mit Gasmaske ausgerüstet wie der Bösewicht Bane im Film „The Dark Knight Rises“, der gerade gezeigt werden sollte. Und er hatte – wie Bane im Film – Sprengladungen versteckt, mit denen er die Polizei noch nach dem Attentat in Atem hielt. „Psychologen verweisen auf kaputte Familien, Versagensängste, Minderwertigkeitskomplexe. All diese Faktoren bilden die Nährlösung, bis irgendwann ein seelisch ... Gestörter zum Gewehr greift und seine Mitmenschen niedermetzelt“ (Göttinger Tageblatt vom 23.7.2012).
    Wir sollten auch in Deutschland gewarnt sein. Denn wir haben hier auch Beispiele für Attentate aus purem Hass auf andere, etwa der Terror von Amokläufern an Schulen. Nehmen wir den durch Kriegsspiele,

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