Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
sein, weil sie so viel Lustgewinn aus ihren Fantasien und Handlungen ziehen.
Doch sadistisches Verhalten zeigen insgesamt sehr viele Gewalttäter, weil es sehr belohnend sein kann, grausam zu sein. Dann kann es Spaß machen, einfach mehr davon haben zu wollen – auch wenn man ansonsten kein „geborener Sadist“ ist. Sadisten produzieren wiederum sadistische Täterintrojekte in ihren Opfern, die quälend, gemein, bösartig in ihnen wühlen. Die Fallgeschichte von Frau K., die in diesem Buch geschildert wird, ist ein Beispiel dafür, dass eine Persönlichkeit zwar „selbst“ nicht sadistisch ist, aber die Erfahrung, sadistisch behandelt worden zu sein, sich in ihren für die gesamte Persönlichkeit äußerst quälenden Täterintrojekten „austobt“. Ich würde so weit gehen zu sagen: Fast alle sexuell misshandelten Menschen sind sadistisch behandelt worden! Denn der Täter oder die Täterin wissen meist ganz genau, dass ihr Opfer das jetzt nicht will. Sie suchen ja die Heimlichkeit, sie wiederholen ihre Taten häufig, sie hören nicht auf das Wimmern, das Weinen. Sie sperren ab, damit das Opfer nicht flieht, sie zwingen es zu sagen, dass es ihm gefalle etc. Außerdem fesseln, schlagen, knebeln Sexualtäter ihre Opfer sehr häufig. Oder sie drohen dem Opfer, es umzubringen, wenn es etwas sagt, oder jagen ihm Schrecken ein („Deine Mama hat dich dann nicht mehr lieb.“ – „Ich erzähle das den Betreuern, dass du das warst, und sie werden mir glauben und nicht dir“ etc.) Viele weiden sich auch daran, ihr Opfer zu beschämen, es zu demütigen und ihm zu zeigen: „Ich habe hier die Macht, du bist nichts ohne mich!“ Da sage noch jemand, das habe nichts mit Sadismus zu tun. Außerdem, dies an alle, die irgendwelche Ausflüchte für ihr Verhalten oder das ihres Täters haben: Jeder Mensch weiß, dass man anderen Menschen keine Gewalt antun tun darf. Und bis auf die Psychotiker können sie sich durchaus bremsen – wenn sie es denn wollen bzw. wenn sie sich sehr anstrengen.
Immer wieder wundere ich mich, dass es viele sadistisch behandelte Menschen gibt, denen es gelungen ist, nicht selbst sadistisch zu werden. Was dabei hilft, sollte uns ebenfalls beschäftigen. Übrigens gehen die Opfer von Sadisten, wenn überhaupt, später anders mit Menschen in Beziehung als die Opfer nichtsadistischer Sexualtäter, wie Anna Salter festgestellt hat (Vortrag auf der ISSD-Tagung in Sehnde, 2005). Der nichtsadistische Sexualtäter will sich seine „Geilheit“ nicht durch Mitgefühl „kaputt“ machen lassen. Er interessiert sich überhaupt nicht für das Empfinden seines Gegenüber, sondern projiziert seine eigenen Empfindungen und Wünsche auf das Opfer; das ist z. B. typisch für die meisten Pädo-Kriminellen, also diejenigen, die Filme von sexualisiert gequälten Kindern (vulgo Kinderpornografie) konsumieren und / oder sich ein Kind gefügig machen und es sexuell misshandeln. Ein solcher nichtsadistischer Sexualtäter produziert ein Opfer, das nichts so sehr möchte wie „gesehen“ zu werden: Es will, dass das Gegenüber (später z. B. der Partner, die Freundin oder die TherapeutIn) es wahrnimmt, ihm seine Wahrnehmung spiegelt und diese bestätigt. Und es will selbst merken, dass das Gegenüber „verstanden“ hat, was es will und was es nicht will.
Ganz anders das Opfer eines „reinen“ Sadisten. Ein Sadist lässt sich Zeit. Er studiert sein Opfer. Er schmeichelt sich ein, um herauszufinden, was es mag und was nicht, wie es fühlt, was es fürchtet –um es dann besonders grausam genau damit quälen zu können. Ein Kind, das besonders seine Katze liebt, wird dann erleben, dass der Sadist oder die Sadistin genau dieses Kätzchen auswählt, um es vor seinen Augen zu quälen. Eine Frau, die nichts so sehr fürchtet wie Messer, wird mit dem Messer verletzt etc. Ein Sadist produziert ein Opfer, das nichts so sehr fürchtet wie „gesehen“ zu werden. Sobald jemand ihm nahekommt, gerät es in Panik, weil es annimmt, dass jede Schwäche, die es zeigt, ausgenutzt wird; dass jede Vorliebe, die es zu erkennen gibt, dazu führen wird, dass ihm besonders wehgetan wird; dass jede Weichheit, Offenheit, jedes liebevolle Gefühl ausgebeutet und dazu dienen wird, es schlimm zu quälen. Wer also in Beziehung geht mit dem Opfer eines Sadisten, wird gut daran tun, ihm nicht zu nahezukommen, ihm eher in einer freundlich-nüchternen als in einer zu warmen Atmosphäre zu begegnen.
Und viele Überlebende haben beides erlebt: nicht
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