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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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das Horten brutaler Bilder von Folter an Frauen und durch persönliche Kränkungen aufgeputschten Tim Kretschmer, der keine Hemmungen hatte, seinen Frust durch die Ermordung von elf Mädchen und Frauen und einem Jungen sowie drei Männern in die Tat umzusetzen: den Attentäter von Winnenden. Auch er war spielsüchtig, er spielte – wie fast alle Jungen – massiv und viele Stunden hintereinander „Counterstrike“. Und als er sämtliche Hemmungen verloren hatte und sich wieder einmal in der Schule gedemütigt fühlte, schlug er zu. Vermutlich nicht zufällig einen Tag nach dem Amoklauf in Alabama, bei dem ein Täter zehn Menschen und sich selbst erschossen hatte.
    Attentäter dieser Art (siehe das Interview mit dem verhinderten Attentäter „Sven“ in Emma , Mai / Juni 2009) kann man als „durchgedrehte Einzeltäter“ bezeichnen. Doch die Verlorenheit eines Kindes, das Heimat-Finden in radikalen Inhalten, das Hineingezogen-Sein über sehr lange Zeit in gewalttätige Spielszenarien, der massive Frauenhass und die Vorstellung, einer Elite anzugehören und nur mit Gewalt eine Ordnung wiederherstellen zu können – solche Erlebnisse und Vorstellungen teilte Tim Kretschmer, der Attentäter von Winnenden, mit Anders Breivik (der übrigens den Rächer-Film „Dogville“ von Lars von Trier als Drehbuch für seine Taten auf der Insel Utoya benutzte) – und mit vielen anderen jungen Männern.
    Der Neurowissenschaftler Gerhard Roth hat Tiere und Menschen auf unterschiedliche neurobiologische Ausstattung untersucht. Er bilanziert: Höchstens ein Drittel aller Täter seien im Wesentlichen genetisch für ihre Täterschaft vorbelastet. Bei den meisten seien massive negative Kindheitserfahrungen die Hauptursache. Ein Teil der vernachlässigten und misshandelten Kinder werde hypersensibel, ein anderer Teil unsensibel. Und es sind vor allem die unsensibel Gewordenen, die uns Sorgen machen müssten. „Und wenn nichts dagegen getan wird“, also wenn bereits die Kinder keine neuen Lernerfahrungen machen können, die ihnen die nötige Sensibilität und vor allem Mitgefühl beibringen, „dann verformt sich das Gehirn mit vier, fünf, sechs Jahren, und dann können sie zu Tätern werden. Können die etwas für ihre gewalttätige Persönlichkeit? Nein. Da gibt es keinen freien Willen. Die Ursachen für die spätere Gewalttätigkeit liegt ganz eindeutig in der frühen Kindheit“ (in: Jurschik 2012).
    Unterschiede
    Man wird also nicht gewissenlos geboren; jedenfalls dürfte das auf die wenigsten Menschen zutreffen. Sondern man wird gewissenlos gemacht. Das ist das eine, mit dem wir uns beschäftigen sollten. Und das andere: Empathiefähigkeit, also Mitgefühl, Sensibilität für die Bedürfnisse anderer Lebewesen, kann man das ganze Leben über lernen, wie wir heute wissen. Warum sollten wir also aufhören, uns um Menschen zu bemühen, die schwere Fehler gemacht haben, indem sie Gewalt gegen andere anwandten – solange wir es noch können? Wenn wir sie nicht dämonisieren, sondern uns genau anschauen, ob sie ihre Neigung zu gewalttätigen Gedanken und Handlungen in den Griff bekommen können und dabei auch noch erfolgreich sind – dann können wir der Gesellschaft nicht nur sehr viel Geld ersparen, sondern auch viele neue Opfer; denn die meisten Gewalttäter kommen über kurz oder lang wieder auf freien Fuß. Und wenn sie nicht gelernt haben, ihre gewalttätigen Zustände zu verändern, werden sie vermutlich in ähnlichen Situationen wieder Gewalt anwenden, wieder Menschen zu Opfern machen. Täter für immer wegzusperren sollte nur einer vermutlich kleinen Minderheit vorbehalten bleiben: denjenigen, die entweder keine Veränderungsbereitschaft haben, oder solchen, die aufgrund von Gutachten als unbehandelbar eingeschätzt werden, wie etwa echte Sadisten.
    16.5 Sadisten, ihre Opfer und deren Täterintrojekte
    Echte Sadisten sind selten, hat die amerikanische Gutachterin Anna Salter (s. ihr Vortrag „Sadists“ auf http://www.annasalter.com ) festgestellt. Ihre eigenen Studien bestätigen einen Befund von Langevin et al. (1988), nachdem nur 2 bis 5 % aller (Sexual-)Täter Sadisten sind – das sind allerdings diejenigen, vor denen wir alle uns fürchten. Es sind die Täter, von denen die meisten Krimis handeln. Diejenigen, die fast ausschließlich instrumentelle Gewalt anwenden und es darauf anlegen, ihrem Opfer schlimmstmögliche Qualen zu bereiten, nur das bereitet ihnen maximale Lust. Echte Sadisten scheinen unbehandelbar zu

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