Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
Konsequenz: siehe 1., erweitert durch die Möglichkeit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Ein möglicher Ausschluss der Steuerungsfähigkeit (ist nicht auszuschließen und daher im Zweifel für den Angeklagten). Konsequenz: Freispruch, Unterbringung nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus, allerdings nur, wenn vorher die Voraussetzungen des § 20 StGB (verminderte Schuldfähigkeit) als „sicher“ festgestellt wurden. § 20 lautet: „Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tief greifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“
Der sichere Ausschluss der Steuerungsfähigkeit. Konsequenz: Freispruch, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB ist möglich.
Kommentar von Clemens Basdorf, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, und Andreas Mosbacher, Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin: „In aller Regel führen Persönlichkeitsstörungen für sich allein (ohne weitere Beeinträchtigungen) nach Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zur Aufhebung der Schuldfähigkeit (BGHSt 49,45) ... Die Auswirkungen der Persönlichkeitsstörung auf die Schuldfähigkeit sind für jede Tat gesondert konkret darzulegen“ (2007, S. 116).
Wie wackelig solche Beurteilungen der Schuldfähigkeit sein können, zeigt sich in der höchstrichterlichen Praxis. Hier spielen vor allem die Borderline-Störung, die dissozialen und „sexuellen Persönlichkeitsstörungen“ eine Rolle. Beispiel eines BGH-Beschlusses vom 10.10.2000 zum Thema „Sexuelle Persönlichkeitsstörungen – hier: Pädophilie“:
„Allerdings ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten in Form einer Pädophilie‚ [Anm. MH: Juristisch bedeutet Pädophilie: Ein Erwachsener hat Sex mit einem Kind unter 14 Jahren] ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichzusetzen, die als Merkmal des § 20 StGB einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzuordnen ist und zu einer Schuldmilderung ... führen muss. Liegt ausreichendes Anknüpfungsmaterial für ein umfassendes Persönlichkeitsbild vor, kann aus psychiatrischer Sicht auch der Schluss gerechtfertigt sein, dass nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegt, die als eine allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung kein krankheitswertiges Ausmaß aufweist und damit keinen Einfluss auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten hat. Dagegen kann die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt sein, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone werden, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen“ (ebd., S. 135).
Man sieht, wie schwer es für Außenstehende ist, einen Zugang zum Verständnis von (Sexual-)Taten zu finden, und man kann ahnen: Wenn ein Täter nur gute Anwälte hat, dann boxen die ihn zumindest aus „Stufe 1“ heraus. Er muss dann nicht ins Gefängnis, sondern kann – wenn man es polemisch sagen will – in der forensischen Psychiatrie, die für viele Straftäter so etwas wie „Knast light“ ist, versuchen, die PsychologInnen zu überzeugen, dass er doch ein guter Kerl ist.
Motive? Schuldfähig oder nicht? Natürlich muss ein Gericht und müssen die sich auf Gutachten stützenden Richter Material bekommen, um zu entscheiden, wie die Schuld des Täters aussieht und was seine juristische Strafe sein soll. Doch wir können als Gesellschaft nicht darauf vertrauen, dass es vor Gericht wirklich um Recht und Gerechtigkeit geht. Es geht eher häufig um juristische Spitzfindigkeiten und um Verteidiger und Gutachter und Gegengutachter. Häufig wird das Opfer begutachtet, daraufhin, ob es lügt. Und jede PsychotherapeutIn und BeraterIn kennt Fälle, in denen auf geradezu skandalöse Weise wirkliche Opfer mit wirklichen Verletzungsfolgen, auch organischer Art, von Gutachtern als „nicht glaubwürdig“ beurteilt wurden, oft sogar, ohne dass ein solcher Gutachter das mutmaßliche Opfer jemals gesehen hat, sondern rein „nach Aktenlage“. Dies trägt sehr dazu bei, dass OpfervertreterInnen wütend auf die deutsche Justiz sind. Denn wenn eine Tat erst einmal vor Gericht landet, gewinnt häufig der bessere Anwalt. Und wenn ein Täter genug Geld
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