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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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    17.2 Die nichtjuristische Seite von Gewalttaten
    Für Nicht-JuristInnen, für Eltern, PädagogInnen und TherapeutInnen geht es eher darum: Wir sollten uns bemühen, möglichst früh zu erkennen, ob ein Kind oder Jugendlicher die Tendenz hat, gewalttätig zu werden. Und ihm bzw. ihr dann dabei helfen, seine / ihre Impulse und Gedanken und Handlungen zu verändern. Die meisten Kinder, die später Gewalt anwenden, sind selbst Gewaltopfer oder zumindest vewahrlost oder extrem vernachlässigt und seelisch gequält worden. Sie haben nicht immer genau dasselbe erlebt – ich gehe in Kapitel 7, „Die Gewaltkarriere traumatisierter Jungen“ auf diejenigen ein, die tatsächlich dasselbe erlebt haben, und was mit ihnen los ist –, aber sie haben Demütigungen, Quälereien, seelische und oft auch körperliche, überdurchschnittlich oft auch sexuelle Gewalt erlebt. Und sie haben in jedem Fall große Lust, sobald sie Macht über jemanden haben, sich zu rächen. Manche wiederholen dabei fast exakt das Szenario, das sie selbst erlebt haben. Andere finden im Laufe der Zeit ein Muster von Quäl-Fantasien oder -Handlungen, das sie am meisten „anmacht“. Wieder andere laufen chronisch frustiert durch die Welt, fühlen sich als Loser und explodieren bei einer passenden Gelegenheit. Bei jeder einzelnen Tat, die sie dann als Erwachsene begehen, jeweils nach einem Motiv zu fahnden, wie es die deutsche Rechtsprechung verlangt, führt daher oft in die Irre.
    Aber: Ein gewalttätiger Jugendlicher oder erwachsener Mensch hat oft „Ego-States“ oder Persönlichkeitsanteile, die delikthaft sind: Zustände, in denen kein zivilisatorisches Über-Ich mehr greift, sondern in der „Es“ regiert: „Es einfach tun.“ Dass diese States, Anteile oder Zustände die Oberhand gewinnen können, ist allen klar, die mit Gewalttätern gearbeitet haben. Und mit Überlebenden, die ebenfalls oft solche Impulse haben, diesmal häufig als selbstquälerische Gedanken und Handlungen. Vielleicht aber auch als wiederum intensive Rachefantasien, die bei der Möglichkeit, Macht über Schwächere zu bekommen, plötzlich die Oberhand gewinnen können.
    Wer Gewalt verhindern will, muss einem Menschen helfen, sich zu beherrschen. Ein solcher Mensch muss lernen, diese „Delikt-Zustände“, wie Forensiker das nennen, in den Griff zu bekommen, sie bewusst in Schach zu halten. Das mit jemandem trainieren zu müssen, der schon eine lange Gewaltgeschichte hat, und danach zu ermessen, ob das Training ausreicht, so jemanden wieder auf die Menschheit loszulassen ist eine sehr schwierige Sache. Niemand, der vor diese schwierige Aufgabe gestellt wird, ist zu beneiden. Und wir sollten diejenigen mit hohem Respekt betrachten und unterstützen, die diese mühsame Arbeit tun – und sollten nicht nur hoffen, sondern auch verlangen, dass Gutachter bestens ausgebildet sind. Mein Eindruck: Viele Gutachter befinden sich noch auf dem wissenschaftlichen Stand der 1960er-Jahre, maximal auf dem Mitte der 1980er-Jahre. Kenntnisse zum Beispiel über Traumafolgen wie dissoziative Störungen? Weitgehend Fehlanzeige. Es geht ja nicht nur um Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen, sondern auch um Posttraumatische Belastungsstörungen und schwere dissoziative Störungen, die Täter plagen können. Bislang gibt es leider nur wenige Studien zum Anteil dissoziativer Störungen bei Gewalttätern. Die wenigen, die es gibt, sagen Folgendes aus:
66–77 % der Sexualstraftäter haben erhöhte Dissoziationswerte (Steiner et al. 1997).
31–40 % der Mörder haben dissoziative Amnesien für einen Großteil der Tat (Moskowitz 2004b).
74 % der forensisch-psychiatrischen Patienten einer Pilotstudie (90 Männer) haben während der Tat dissoziiert. Es gab einen signifikanten Zusammenhang zwischen einer allgemeinen Dissoziationsneigung [ein Hinweis auf vorangegangene Traumatisierungen, MH] und der Dissoziation während der Tat. Die Ergebnisse waren unabhängig von der Art des Delikts (egal, ob Gewalt- oder Sexualdelikt). Die Autoren dieser Pilotstudie (Dudeck et al. 2007) halten zwei Erklärungsansätze für möglich: Entweder wird die Straftat deswegen begangen, weil sie der Spannungsabfuhr und Stressregulation dient (auf Borderline-Niveau); und / oder die Straftäter dissoziieren während der Tat, weil sie während der Tat unerträgliche Gefühlszustände erlebten (z. B. weil das Opfer sich wehrte, was sie nicht erwartet hatten, oder sie über ihren eigenen

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