Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
wichtigste Aufgabe. Und davon handelt das Buch. Ich will nämlich gerade NICHT, dass Bereiche der Persönlichkeit vernichtet oder „ausgetrieben“ werden. Aber ich verstehe dich auch, die du einen „Wandel durch Annäherung“ nicht möchtest. So ist das erst mal. Können wir das so stehen lassen? Für mich ist das ganz in Ordnung. Als deine Therapeutin würde ich dich immer wieder mal herausfordern: Magst du mit mir weiter sprechen, wie du das siehst? Schau mal, hier ist etwas besser geworden, kannst du das akzeptieren, oder siehst du das anders? Wie findest du dies oder jenes?“ Ich würde einfach mit dir im Gespräch bleiben. Und mit allen anderen auch. Aber ich würde nicht versuchen, jemanden „über den Tisch zu ziehen“.
Ja, und wenn du mir wieder schreiben möchtest: Ich habe ein offenes Ohr.
Herzliche Grüße!
Interview 8: „Vom Verleugnen bis Abschaffenwollen aller anderen da innen: Alles hat es gegeben. Nun bewegen wir uns langsam aufeinander zu“
Interview mit einer Frau, die „Viele“ ist und darum ringt, das zu verstehen
Vorbemerkung: Viele Menschen mit einer komplexen frühen Traumatisierung, vor allem aber solche mit einer dissoziativen Identität, sprechen von sich im „Wir“. Sie haben den Eindruck, „Viele“ zu sein – was auch richtig ist, weil sich ihre Persönlichkeitsanteile auseinanderentwickelt haben. Und sie können sich unter „Ich“ noch nichts Rechtes vorstellen bzw. „Ich ist Viele“ oder „Ich ist gerade der, der vorne (gerade im Bewusstsein) ist“. In Persönlichkeiten mit einer dissoziativen Identität („multiple Persönlichkeiten“) gibt es meist einen sehr intensiven Kampf unterschiedlicher Strebungen und Teilpersönlichkeiten, wobei viele nicht einmal akzeptieren würden, als „Teilpersönlichkeit“ bezeichnet zu werden: „Ich bin anders als DIE da ...“ Wie lebt es sich mit dem Viele-Sein, vor allem dann, wenn einige Persönlichkeitsanteile unbedingt von den Tätern wegwollen, während andere noch „mittendrin“ stecken in Ausbeutung und Verrat? Ein schriftliches Gespräch mit einer, mit der ich eine E-Mail-Korrespondenz führte.
Michaela Huber: Ihr seid Viele. Seit wann wisst ihr, dass ihr eine dissoziative Identität, also multipel seid? Und wie findet ihr das – gibt es unterschiedliche Meinungen dazu bei euch?
Antwort von „Katha und Linda“ aus dem System von K. B.: Alles lief parallel nebeneinanderher, so ungefähr bis Weihnachten 2005. Wir lebten viele parallele Leben und waren zwar oft durcheinander, aber manche dachten, dieses Leben sei ihrs, andere dachten, jenes sei ihrs. Dann kam eine sehr einschneidende brutale Erfahrung, die Spuren hinterließ und durch die auf einmal einiges deutlicher wurde. Dass irgendwer von uns sich traute, mehr darüber zu sprechen, dauerte weitere drei Jahre. Schwarz auf weiß haben wir die Diagnose seit nun ca. drei Jahren, aber bis dahin war es ein weiter Weg, und am Anfang war das für einige (vor allem die Alltagsleute) schwer zu schlucken. Und ja, es ist nicht einfach mit so Vielen, die beachtet werden wollen, und es scheiden sich die Geister an der Frage, wie wir das finden.
Eine von uns, die vor einiger Zeit viel in der Therapie vorne war und dann mehr und mehr mit den anderen innen zu tun bekam, wollte regelrecht davonlaufen. Und sie machte da unterschiedliche Phasen durch, vom Verleugnen des Ganzen bis zum Abschaffen-Wollen der anderen. Erst als dadurch die Symptomatik immer gravierender wurde (Sebstverletzungen, Kontakte zu Leuten außen, die uns verletzten etc.), war sie bereit, mit unterschiedlichsten Leuten da innen nach und nach in Kontakt zu treten. Diese begannen dann, sich gegenseitig vorzustellen. Nach und nach kamen andere innen hinzu.
Die irgendwann gestellte Diagnose hat auch noch für manche nicht gereicht, um sich dem Viele-Sein zu stellen, aber mit der Zeit sind es immer mehr geworden, die sich trauten, mit den anderen innen in Kontakt zu gehen. Es gibt hier auch welche bei uns, die das schon viel länger wissen oder die es vermutlich nie anders kannten, als eben Viele zu sein. Für die war es eher erleichternd, als immer mehr der anderen von uns davon Wind bekamen. Und die wollen, glaub ich, auch nicht ganz allein sein. Andere sind hier so gestrickt, dass sie nach wie vor gerne den Rest „rausschmeißen“ würden und ihr eigenes Ding ganz alleine durchsetzen und machen wollen. Die machen es uns allen nicht gerade leicht, weil sie immer mal wieder aus einer
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