Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
Hippocampus-Aktivität als auch Aktivität im ACC festgestellt. Und es zeigte sich, dass die graue Substanz des Großhirns durch die erfolgreiche Psychotherapie an Umfang zunahm.
Interessant sind die Befunde, die Bethany Brand und Richard Loewenstein in einem Überblicksartikel (2010) zusammengestellt haben. Auch durch eigene neurophysiologische Studien stellten Sie nämlich fest, dass es zwei Typen von Posttraumatischer Belastungsstörung zu geben scheint. Sie nennen den einen den „dissoziativen Typus“, den anderen den „übererregten Typus“. Mithilfe dieser Einteilung lassen sich widersprüchliche Befunde aus den hirnphysiologischen Studien vieler KollegInnen erklären. Hier eine Zusammenstellung der Unterschiede dieser beiden Typen und was das für die Behandlung heißt.
Dissoziativer Typus
Übererregter Typus
Entstanden durch: schwere chronische, wiederholte Kindheitstraumata und durch weitere spätere Traumatisierungen
Entstanden durch: später als in früher Kindheit entstandenen Traumata und / oder weniger kumulative Traumata
Reagiert bei Konfrontation mit Trauma-Triggern mit: Dissoziation, Betäubung, verminderter autonomer Erregung und Hautleitfähigkeit, verminderter Herzfrequenz, verzögerter Cortisol-Ausschüttung. Es sind Hirnregionen aktiv, die Emotionen kontrollieren und das Selbst-Gefühl ändern (etwa MPFC).
Reagiert bei Konfrontation mit Trauma-
Triggern mit: Entsetzen, erhöhter Erregung und Hautleitfähigkeit sowie erhöhter Herzfrequenz, rasch ansteigenden Cortisol-Werten. Es sind Hinregionen aktiv, die Emotionen wenig kontrollieren können, verminderte Aktivität im MPFC.
Psychotherapie:
Erfordert schrittweises Vorgehen mit Betonung auf Sicherheit, Stabilisierung, Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung, Symptommanagement, bevor traumatisches Material exploriert und (modifiziert) bearbeitet werden kann.
Psychotherapie:
Kann Traumamaterial in Form von Traumakonfrontation bzw. kognitivem Prozessieren schneller nach kürzerer Stabilisierungsphase verarbeiten.
In diesem Zusammenhang ist es aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass die meisten komplex traumatisierten Menschen durchaus eine Mischung von beiden Typen sein können.
6. Cherchez la Femme – Frauen transportieren die Gewalt weiter
Als ich mir eine aktuelle Liste von internationalen Studien zum Thema Bindung und Trauma zusammenstellte (Dank an dieser Stelle an Frauke Rodewald, die mir dabei geholfen hat!), war ich erstaunt, wie sehr überall auf der Welt betont wird: Cherchez la femme – suchen wir die Frauen und schauen uns an, wie sie selbst herangewachsen sind, welche Partner sie sich aussuchen und wie sie mit ihren Kindern umgehen (lassen). Dann können wir viel darüber sagen, mit wie viel Gewalt und wie belastet Kinder in unseren Gesellschaften heranwachsen. Männer üben den allergrößten Teil von körperlicher und sexueller Gewalt aus. Aber Frauen transportieren sie: in sich als Erfahrung und weiter zu ihren eigenen Kindern, indem sie diese nicht wahrnehmen, ihnen nicht helfen, sie (und sich selbst!) nicht vor männlicher Gewalt schützen und ihnen – leider – sogar selbst Gewalt antun.
Wenn wir also ernsthaft etwas gegen Vernachlässigung, Verwahrlosung und Gewalt tun wollen, brauchen wir Erkenntnisse darüber, welche Kinder und welche Mütter besonders gefährdet sind. Gefährdet in dem Sinne, dass die unter diesen Bedingungen Heranwachsenden seelisch, geistig und gesundheitlich bedroht sind – und zu späteren Opfern und / oder Tätern werden können. Wo auch immer die Studien unternommen wurden, das Bild ist recht klar und einheitlich, und man kann daraus nur folgern: Tut endlich etwas, sonst haben wir immer mehr Krieg. Krieg in den Köpfen, Krieg in der Seele, Krieg im zwischenmenschlichen Verhalten. Und letztlich dann: Krieg auf der Straße, zwischen unterschiedlichen Menschengruppen, Ethnien, Rassen, Nationen. Wenn wir den Krieg nicht wollen, müssen wir die kleinsten menschlichen Einheiten studieren: Mütter und Kinder.
6.1 Weitergabe von Generation zu Generation
Denn nach wie vor sind es die Frauen, die den entscheidenden Anteil an der Kleinkinderziehung haben. Und wie wir sehen werden entscheidet sich in der Zeit zwischen null und sechs Jahren schon sehr viel darüber, wie seelisch gesund ein Kind den Rest seines Lebens verbringen wird. Wie viel Krieg wir Frauen und Kinder in unseren Köpfen und Herzen, wie viel Krieg wir gegen unseren Körper, unsere Bedürfnisse, unsere Hoffnungen
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