Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
einzubeziehen?
Sicherheit im Kontakt herstellen: In der Zeit der (erweiterten) Probatorik werden beide einander beäugen: Wie können wir miteinander? Wie soll die Sitzordnung, die Länge der Therapiesitzung, die Frequenz der Stunden sein? Welche Hilfsmittel werden gebraucht? Kleine Rituale sind wichtig, zum Ankommen, z. B.: Welche Symbole möchte die KlientIn im Raum haben, die ihr Sicherheit vermitteln? Hat sie einen Zettel oder ihr Tagebuch mit, um die Punkte zu benennen und aufzuschreiben, die ihr wichtig sind für bzw. von heute? Hat sie Mittel zum Reorientieren zur Verfügung, wie Igelball, Riechfläschchen, Pfefferkörner oder -schoten, bestimmte andere Gegenstände? Im Fall von schwereren Dissoziationen sind auch Worte, Gesten oder Hinweise der TherapeutIn wie: „Können Sie mir mal eben gerade sagen, wie viele gelbe Blumen dort in der Vase stehen? – „Können Sie mal alle blauen Gegenstände hier im Raum aufzählen?“ etc. hilfreich. Weitere Hilfsmittel können imaginative Techniken sein. Die Bildschirmtechnik, um alle „schwierigen“ Bilder zu distanzieren: „Können Sie sich einen Flachbildschirm da drüben an der Wand vorstellen? Gut. Und darunter auf dem Fußboden können Sie sich vorstellen, dass da ein DVD-Rekorder steht, der alle Bilder aufnimmt? Prima. Und dann werfen Sie sozusagen alle Bilder, die nicht so einfach sind, da drüben an die Wand auf den Bildschirm. Jedes Bild wandert – sobald es klar zu sehen ist – automatisch runter auf die DVD, sodass wir hinterher diese DVD rausnehmen und irgendwo, z. B. in einem Tresor, gut in Sicherheit bringen können.“ Der Tresor kann ebenfalls imaginiert und von einem inneren Helfer bewacht werden. Weitere Hilfsmittel können sein: Malutensilien und andere Gegenstände zum Gestalten, Kuscheltiere als Symbolisierungen von Persönlichkeitsanteilen oder HelferInnen etc. (Hinweis: In meinen Büchern: „Wege der Traumabehandlung“ und „Viele sein“ sowie im Übungs-Buch „Der innere Garten“ finden Sie zahlreiche Anregungen.)
Dann werden die ersten „schwierigen“ Themen angesprochen. Die Frage der TherapeutIn dazu könnte sein: „Was muss sich für Sie am dringendsten ändern?“ Manchmal lautet die erste Antwort: „Alles.“ Das engt es ein aufs Wesentliche, denkt die TherapeutIn dann, seufzt innerlich, schaut die KlientIn freundlich an und sagt so etwas wie.: „O.k., dann werden wir jetzt jede Stunde wieder aufs Neue danach suchen, was von all dem, was sich alles ändern soll, am allerdringendsten ist, und wir werden immer daran zuerst arbeiten.“ Dann empfiehlt es sich, für diese Hauptsymptome bald schon gemeinsam eine Art Behandlungsplanung zu erstellen: Was soll, wenn es wirklich besser wird, dabei herauskommen? (Ein Schema für eine Behandlungsplanung bietet Abbildung 7 auf Seite 166). In dieser ersten Zeit wird die KlientIn erleben, dass die TherapeutIn alles, wirklich alles willkommen heißt, was in der KlientIn lebt und sich zeigen oder sich anderweitig beteiligen möchte. Es werden diese unterschiedlichen Teilbereiche der Persönlichkeit – Zustände, Anteile, „Leute“ im Innern etc. – wahrgenommen und mit der Zeit entsteht eine erste innere Landkarte. Manche KlientInnen, die noch in Täterhänden sind oder sich innerlich sehr wenig kennen, brauchen lange Zeit, um sich mit „anderen“ Anteilen ihrer Persönlichkeit überhaupt auch nur von Ferne befassen zu können. Innere Landkarten sind anfangs lückenhaft und unvollständig, aber zumindest ahnen beide – TheapeutIn und KlientIn – dann, dass „da noch etwas ist“, das mit der Zeit in die Therapie hineingebeten wird.
Wenn die KlientIn noch Täterkontakt hat oder gar weiterhin von anderen Menschen gequält wird oder wenn sie schon einmal andere Lebewesen gequält hat, vor allem wenn das in jüngerer Zeit geschehen ist, haben diese Themen absolute Priorität. In jeder Stunde. Auch wenn die KlientIn alles tun wird, um die TherapeutIn davon abzuhalten: Es wird vereinbart, Schritt für Schritt das Verhalten (bezeichnet mit: „aus Sehnsucht“ oder: „kann mir nichts anderes vorstellen“ oder: „dann kommen sie mich holen“) zu verändern. Ein Beispiel für den Rückzug von Menschen, die an der KlientIn zum Täter / zur Täterin geworden sind: Nicht mehr unberechenbarerweise bei den TäterInnen anrufen oder angerufen werden (Handy-Nummer, E-Mail etc. verändern), weniger selbst anrufen, weniger Situationen haben, in denen „nichts anderes ging, als sie zu sehen“.
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