Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
Verletzungen sind einfach besondere Menschen mit seelischem Schmerz und seelischer Tiefe. Mit Empfindungsintensitäten und daraus erwachsenen, nicht selten geradezu genialischen Ausdrucksformen von Kreativität. Viele können Kunstwerke erschaffen. Häufig sind die kreativsten Menschen solche, die besonders gelitten haben. Also reicht es oft schon, wenn HelferInnen anregen, innere Räume zu schaffen für alles, was einen solchen Schutz- oder Rückzugsraum braucht. Ob es ein innerer Garten ist oder eine Höhle, ein Baumhaus oder eine Insel, ein Traumland oder ein eigener Planet ... Alles im Innern, das sonst einfach in namenlosem Grauen lebt, braucht vielleicht eine Vorstellung von einem solchen Schutzraum. Häufig werden Teil-Identitäten, die noch im Trauma leben, nach der Traumabearbeitung in solche Schutzräume, bei denen sie vorher nur Zaungäste waren, hineinkommen können.
Bearbeitung traumatischer Szenen: Wann immer ausreichende Stabilität erreicht ist, werden trauma-prozessierende Arbeiten helfen, innere unerträgliche Spannungen und daraus folgende Symptome zu erleichtern. Die bekanntesten Arbeitstechniken sind die Bildschirmtechnik, die narrativen Erzähltechniken und EMDR (siehe u.a. der von mir herausgegebene Sammelband: „Viele sein“). Dabei ist es wichtig, dass immer nur das bearbeitet wird, was die innere „Gegenseite“ mindestens tolerieren kann.
Um diese Tolerierung oder sogar Unterstützung der traumaverarbeitenden Arbeit erreichen zu können, sind – möglichst direkte – Gespräche mit den Täterintrojekten und andern oppositionellen Anteilen in der Persönlichkeit notwendig. Daher hilft es, nicht nur mit den Persönlichkeitsbereichen zu kooperieren, die gern mit der TherapeutIn zusammenarbeiten, sondern besonders nach den Anteilen zu fragen, die gleichgültig oder sogar explizit „dagegen“ sind, und – vorausgesetzt, die Alltagspersönlichkeit ist damit einverstanden und die traumatisierten Anteile der Persönlichkeit können immer wieder in Sicherheit gebracht werden und verstehen, worum es geht – vorrangig erst einmal mit diesen oppositionellen Anteilen zu arbeiten. Einfache Diskursstrategien wie die Kaskadentechnik („Das ist so, weil ...? Und das denken Sie so, weil ...? Ah, und das glauben Sie, bleibt so, weil ...?) bzw. sokratische Dialoge helfen sehr, etwa: „Ach, und seit wann glauben Sie das?“ – „Ah, das hat man Ihnen erzählt. – Und was sagen Sie dazu?“ – „Wie finden Sie das? Ist das o.k.? Soll das so bleiben“? Etc. (Siehe auch hierzu einige Hinweise im Band „Viele sein“, Huber 2011, S. 138 ff.)
Der Körper sollte in die Arbeit einbezogen werden. Gute Hinweise finden sich in den Büchern von Peter Levine, Pat Ogden (2010) und Babette Rothschild (2011). Ich selbst habe mit Techniken wie der vom EFT / TFT abgeleiteten „Körper-Problem-Ressourcen-Technik“ sowie der „Hand-aufs-Herz-Technik“ (in Huber 2010) zwei Methoden vorgestellt, die explizit, auf einfache Weise und beiläufig die körperlichen Rückmeldungen in die psychotherapeutische Arbeit mit einbeziehen.
Häufig helfen konkrete übende Verfahren, wie sie in den Skills-Techniken etwa von Marsha Linehan und ihren NachfolgerInnen zu finden sind. Literaturtipps dazu: Boon et al. (2011) – besondere Empfehlung – sowie Sendera (2005).
Alle diese und viele weitere Möglichkeiten der Arbeit können in unterschiedlicher Reihenfolge angegangen werden, ich empfehle allerdings, die ersten vier bis fünf Punkte nacheinander „abzuhandeln“.
Der Sinn dieser therapeutischen Arbeitsweise besteht darin, ein Klima zu schaffen, in dem Begegnung möglich wird. Und was „Begegnung“ in der Psychotherapie mit früh traumatisierten Menschen heißen kann, davon handelt das nächste Kapitel.
Literaturempfehlungen:
U. Beckrath-Wilking et al. (2013): Traumafachberatung, Traumatherapie und Traumapädagogik: Ein Handbuch zur Psychotraumatologie im beratenden und pädagogischen Kontext
C. Courtois et al. (2011): Komplexe traumatische Belastungsstörungen und ihre Behandlung. Eine evidenzbasierte Anleitung
J. Endrass et al. (2012): Interventionen bei Gewalt- und Sexualstraftätern. Risk-Management, Methoden und Konzepte der forensischen Therapie
Das Buch bietet einen sehr guten Überblick über die Therapie, die möglich und sinnvoll ist, wenn ein traumatisierter Mensch zum Täter geworden ist.
M. Huber (2003a und 2003b): „Trauma und die Folgen“ sowie „Wege der Traumabehandlung“
Ein zweiteiliges
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