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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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war, noch ehe er richtig begonnen hatte. Aber vielleicht gab es außer ihm auch noch andere, die mehr zu verbergen hatten als einen Job ohne Arbeitserlaubnis.
    Vuk hockte sich in eine Ecke und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Sie hatten seine Brieftasche und seine Schlüssel konfisziert und ihm seine Fingerabdrücke abgenommen, und als er die deutlichen Linien auf dem Papier sah, wußte er, daß er die erste Runde dieser Schlacht verloren hatte. Jetzt hieß es, die Nacht zu überleben. Morgen wäre Schluß mit John Ericsson. Er wäre wieder Vuk. Wenn er überleben wollte, konnte er ihn ebensogut gleich aus dem Kämmerchen in seinem Innern herausholen, in dem er in den letzten Jahren geschlummert hatte.
    Er ignorierte seine Mitgefangenen, bemerkte aber, daß sich schon eine Hierarchie gebildet hatte. Zwei kräftige spanischsprachige Kerle beherrschten das Territorium. Beide trugen die gleiche Tätowierung auf dem rechten Oberarm: eine Schlange, die sich um ein wuchtiges Schwert wand. Die blutigen Striemen im Gesicht eines schmächtigen Russen zeigten, daß sie ihn im Laufe der Nacht dazu benutzt hatten, ihren Herrschaftsanspruch zu demonstrieren. Solange es hell war, gab es keine Gefahr. Er döste ein. Er würde nicht viel Schlaf bekommen.
    Die Nacht war voll von unterdrückten, verhaltenen Geräuschen. Es brannte kaum Licht. Man konnte bis in die Wachstube sehen, aber wenn sich der Streit um einen Schlafplatz in einer Schlägerei entlud, zeigten die Wächter keinerlei Reaktion. Gegen Mitternacht fingen die beiden spanischsprechenden Kerle an, von den Männern, die die Toilette benutzen wollten, Geld zu verlangen. Ein Mann mittleren Alters mit einem schlabbrigen, zerknitterten Anzug und schmaler Brille protestierte empört. Sein Akzent war wohl mitteleuropäisch. Er ging zum Gitter und rief nach dem Wächter. Der kam und leuchtete aus sicherem Abstand in die Zelle und hielt seinen Schlagstock in die Höhe, als wollte er die Gefangenen mit einem Bann belegen. Es war ein kurzgeschorener, fetter Polizist mit trägen blauen Augen, der keine Miene verzog. Als der Mitteleuropäer mit seiner Beschwerde fertig war und wieder verlangte, mit seinem Anwalt sprechen zu dürfen, reagierte der dicke Bulle überraschend schnell und schlug dem Mann mit dem Knüppel auf die rechte Hand, die den Gitterstab umklammerte. Der riß überrascht die Augen auf und heulte dann vor Schmerz auf.
    »Ihr stinkt, haltet gefälligst die Fresse«, sagte der Fleischberg und machte seine Taschenlampe aus.
    Vuk hörte, wie der Mann in der hinteren Ecke der Zelle abgestraft wurde. Sie hielten ihm den Mund zu und erstickten seine Schmerzensschreie. Hinterher lag er auf dem Boden und weinte. Der kleinere der beiden Latinos stopfte sich einen Zettel in die Tasche seiner engen Jeans. Was da wohl draufstehen mochte? Daß die Bezahlung fällig war, wenn sie wieder auf freien Fuß gesetzt worden waren? Der PIN-Kode für eine Kreditkarte? Die beiden waren berauscht von ihrem Erfolg und fingen an, von einem zum andern zu gehen. Er sah ihre großspurige Überheblichkeit und haßte sie. Sie waren davon überzeugt, sie könnten alle und jeden tyrannisieren. Eigentlich war es ihm scheißegal. Man holte sich nur eine blutige Nase, wenn man sie in anderer Leute Angelegenheiten steckte. Es gab genug Kämpfe im Leben zu bestehen, man mußte nicht noch die von Fremden ausfechten, andererseits wollte er gern die Wut loswerden, die sich in ihm aufgestaut hatte.
    Vuk atmete tief ein und öffnete und schloß die Hände, ehe er sich aufrichtete und zur Toilette ging. Selbst in der heißen, stickigen Luft in der Zelle konnte er das Klobecken riechen. Der größere der beiden versperrte ihm den Weg. Lediglich zwei schwache Birnen spendeten Licht, aber Vuk konnte sehen, daß er eine Narbe unter dem linken Auge hatte, wahrscheinlich von einem Messer. Seine Augen waren stumpf, als wäre er süchtig und litte jetzt alle Qualen der Hölle.
    »Wo willst du hin, weißer Arsch?« sagte er.
    Vuk jagte ihm das Knie zwischen die Beine und hieb ihm mit gestreckter Hand in den Adamsapfel, so daß er gurgelnd zu Boden sackte. Der andere konnte bloß den Arm heben, bevor Vuk seine Hand ergriff und ihm mit einer blitzschnellen Bewegung fast zwei Finger brach und ihm dann zweimal ins Gesicht schlug, daß die Nase aufplatzte und blutete und er jammernd in der Ecke zusammensank. Die Aktion hatte bloß ein paar Sekunden gedauert, war aber so eiskalt kalkuliert und damit so schreckenerregend

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