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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Schlaf der Gerechten, und plötzlich bricht die Hölle los. Keine Ahnung, wer du bist, aber anscheinend haben es eine Menge Länder und Interpol und das FBI auf dich abgesehen. Als deine Fingerabdrücke erst einmal eingegeben und auf die Reise geschickt worden waren, haben die Computer aufgeleuchtet wie ein Kaufhaus zur Weihnachtszeit.«

5
    Vizekriminaldirektor Per Toftlund tanzte im Wohnzimmer seines Hauses in Ganløse bei Kopenhagen mit seiner Tochter Freya. Durch die großen Fenster fiel das Nachmittagslicht und spielte trotz grauen Wetters in dem rosa bebänderten Pferdeschwanz des zweieinhalbjährigen Mädchens. Die laute Musik übertönte das Trommeln der Regentropfen gegen die Scheiben. Freya war mit großem Eifer dabei, und ihr fröhliches Hopsen auf dem hellen Parkett ließ ihn beinahe seinen Kater und den Überdruß vergessen, der ihn zur Zeit jeden Morgen erfaßte, wenn er neben einer unnahbaren und unglücklichen Lise aufwachte. Selbst der Waldlauf hatte ihn nicht auf andere Gedanken gebracht, obwohl er seinen Körper bis zum äußersten gefordert hatte. Weder sein keuchender Atem noch sein klopfendes Herz konnte die Gedanken an die lange, fruchtlose Streiterei verdrängen, mit der ihr gestriger Abend geendet hatte – wie so oft in den letzten Monaten. Natürlich hatte der übermäßige Genuß von Rotwein den Zwist noch gesteigert, aber er wußte, daß tiefer liegende Ursachen mitspielten, die er nicht so recht analysieren konnte. Er konnte sich kaum erinnern, worum sie sich überhaupt gestritten hatten. Wahrscheinlich ging es wie immer um seine Arbeit, einen Artikel in ihrer Zeitung oder um so etwas Lächerliches wie Aufräumen, Wäschewaschen oder Freya-Abholen. Bagatellen, die in gegenseitigen Beschuldigungen und Vorwürfen kulminierten. Andererseits waren die lautstarken Auseinandersetzungen eigentlich besser als die Eiseskälte, die auch zwischen ihnen herrschen konnte. Besser als die langen Abende, an denen das Fernsehen einen wunderbaren Vorwand dafür lieferte, sich gegenseitig anschweigen zu können. An denen die Rituale um Freyas Schlafenszeit eine Illusion der Nähe vorgaukelten, die aber sofort verpuffte, wenn die ruhigen, regelmäßigen Atemzüge des Kindes zu hören waren. Im übrigen war Lise abends oft weg. Die Arbeit an einer Tageszeitung erforderte eben häufige Nachtarbeit. Sagte sie. Aber was tat sie eigentlich? Was war mit ihnen geschehen? Warum lebten sie so aneinander vorbei? Warum betrog er sie? Und warum war es ihm – fast – egal, wenn sie ihm auch untreu war?
    Selbstanalyse war nicht gerade seine Stärke. Und wenn seine Frau ihm etwas erzählen wollte, hörte er gar nicht mehr zu.
    Streß und Schuldgefühle ließen erst ein wenig nach, als er Freya in der Kinderkrippe abholte und ihre kleinen Ärmchen um seinen Hals spürte und den ganz eigenen Duft ihrer zarten, glatten Haut einsog. Es war unmöglich, das Kind nicht zu lieben. Es war unmöglich, sich in Anwesenheit dieses arglosen Menschleins, das mit so viel Vergnügen vor seinem großen, schweren Körper herumsprang, nicht zusammenzunehmen.
    »Jetzt hören wir Bruce, Papa«, sagte sie.
    »Natürlich, mein Schatz.« Sie hatte Bruce Springsteen im Auto gehört. Neuerdings legte er automatisch seine Greatest Hits auf, und aus irgendeinem Grund war sie ganz verrückt nach Dancing in the Dark. Sie konnte ja nicht wissen, daß der Text ihm weh tat. » You can’t start a fire without a spark. «Wie recht der Kerl hatte! Aber konnte man eine Liebe erzwingen? Freya nahm ihn an den Händen und hüpfte und lachte ausgelassen. »Tanzen, Papa! Komm, du sollst tanzen!« Er tat sein Bestes, aber er merkte, daß sein Tanzen ebenso wie sein ganzes Leben aus dem Takt geraten war.
    » I check my look in the mirror /I wanna change my clothes, my hair, my face. «Er spürte den pulsierenden Rhythmus, aber mehr noch seine Verzweiflung. Als wäre er in einem Labyrinth aus Spiegeln eingeschlossen.
    Plötzlich drang ein Geräusch durch die laute Musik hindurch, das Telefon klingelte. Schon lange? Er machte den CD-Spieler aus.
    »Nein, Papa!«
    »Ich muß mal eben kurz ans Telefon.«
    »Doofes Telefon!«
    Es war Brian Gislev, einer von den Neuen im Polizeilichen Nachrichtendienst. Per empfand ihn als Bereicherung der Abteilung. Er arbeitete gern mit ihm zusammen und hätte sich gern mit ihm angefreundet, obwohl er sich seit dem Tod seines guten Freundes und Kollegen John einige Jahre zuvor auf dem Flakfort scheute, auf der Arbeit erneut eine

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