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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Frau?«
    »Hör auf mit dem Blödsinn. Es geht um den serbischen Dänen … Er ist wiederaufgetaucht.«
    »Vuk!«
    Es lief ihm eiskalt den Rücken runter, und sein Magen zog sich zusammen, daß es weh tat, Jedesmal, wenn er an den verfluchten Mörder dachte, der seinen besten Freund erschossen hatte und zwei weitere Menschen kaltblütig umgebracht, die Schriftstellerin Sara Santander und mehrere andere verletzt, Lise entführt und nebenher auch noch seine Karriere zerstört hatte, bekam er Magenkrämpfe vor Wut. Anfangs war er auf Geschwüre untersucht worden, die Säure hatte ihm den Magenmund verätzt und sich wie mit brennenden Pfeilen im ganzen Magen verteilt, aber der Arzt hatte nichts gefunden. Hatte nur irgendwas von psychosomatischen Reaktionen erzählt. Aber es passierte immer noch, daß er schweißgebadet und mit stechenden Schmerzen aufwachte und wußte, daß er von dem kalten jungen Mann mit den eisblauen Augen geträumt haben mußte.
    »Vuk. Oder Janos oder wie auch immer. Ja. Genau der. Toftlund! Hörst du mir überhaupt zu?«
    Vuldom mußte seinen Namen mehrmals wiederholt haben, aber er hatte nichts davon mitbekommen. Es war ihm, als wäre er in einen dichten rötlichen Nebel gehüllt. Nur langsam verebbten die Schmerzen, viel zu langsam. Er schluckte, als könnte sein Speichel die Magensäure neutralisieren, und erst allmählich nahm er den Raum, in dem sich auch Tove und Aischa befanden, wieder wahr. Sie beobachteten ihn. Wahrscheinlich war er leichenblaß geworden.
    Seine Haut fühlte sich klamm und feucht an. Allzu deutlich stand die Szene noch vor seinem geistigen Auge, und das Geräusch hatte er auch noch im Ohr. Die beiden scharfen Schüsse aus der Beretta, die der gedungene Killer Vuk mit beiden Händen gehalten hatte, und die beiden dumpfen Laute, als die Projektile in Johns ungeschützte Brust schlugen. Als geschähe es in diesem Augenblick, hörte er Sara Santanders pfeifende Atemzüge unter seinem schweren Körper. Er hatte sie umgerissen und mit seinem eigenen Leib geschützt. Und dann die Schreie der verwundeten Presseleute. Am schmerzhaftesten aber erinnerte er sich an Lises entsetzt aufgerissene Augen, als sie begriff, daß er sie in jenem Augenblick verriet und der Mörder sie als Geisel nehmen konnte. Daß er sich nicht für sie entschied, sondern schlicht seinen Auftrag erfüllte und die andere Frau rettete, die unter seinen Schutz gestellt war.
    »Ja, ja, ich höre dir zu, Vuldom«, sagte er. »Er ist also nicht tot. Ich hab’s doch gewußt. Ich habe nie daran geglaubt. Wo ist das Schwein?«
    »Du sollst herkommen, sage ich. Bist du taub? In mein Büro! In spätestens fünfzehn Minuten, Toftlund«, sagte sie und legte auf. Er gab Tove den Hörer zurück.
    »Alles in Ordnung, Per?« sagte sie.
    »Bist du okay?« fragte Aischa.
    Er nickte und bemerkte, daß Aischa auf ihn zugetreten war und ihm die Hand auf den Arm gelegt hatte.
    »Hat nicht den Anschein. Du siehst aus, als könntest du in Ohnmacht fallen oder einen epileptischen Anfall kriegen. Du bist weiß wie ein Laken.«
    Es ärgerte ihn, daß er vor ihr die Fassung verloren hatte, andererseits freute er sich fast wie ein Kind, daß sie sich so um ihn sorgte, und ihre Hand auf seinem Arm fühlte sich sehr angenehm an. Er mußte sich verflucht noch mal am Riemen reißen. Was lief hier eigentlich ab? Als ob er das selber wüßte. Als ob er nicht hin und wieder mindestens so konfus war wie ein Pennäler.
    »Schon gut«, sagte er mit nahezu normaler Stimme. »Alles in Butter.« Sie nahm die Hand von seinem Arm.
    »Was war denn da los am Telefon?«
    »Ein Gespenst aus der Gruft«, sagte Toftlund und griff nach seiner alten Lederjacke. »Ein verfluchtes Gespenst aus der Gruft.«

9
    Lise Carlsen sah zu ihrer großen Überraschung, daß Pers blauer BMW im Carport ihres kleinen roten Reihenhauses in Ganløse stand. Natürlich hatte er wieder mal nicht angerufen. Was machte er denn am späten Nachmittag zu Hause? Mußte er nicht nach London? Oder war das gestern gewesen? Ihre Kalender waren ebenso schlecht aufeinander abgestimmt und chaotisch wie ihr übriges Leben.
    Freya schlummerte selig im Kindersitz von Lises Renault, sie hatte den Kopf angelehnt und den Schnuller im Mund. Die Kleine war nach dem langen Tag in der Kinderkrippe einfach erschöpft. Lise dachte mit dem üblichen schlechten Gewissen daran, das ihr ständiger Begleiter zu werden schien. Auch der Schnuller sollte eigentlich nicht mehr sein, aber er tröstete so schön.

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