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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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eine Bank?«
    Sie schwieg kurz und sagte dann: »Darauf bin ich eben schon kurz eingegangen.« Sie nahm ihre Finger zur Hilfe. »Erstens ist es billig. Die Provision ist weit niedriger als die einer Bank. Zweitens ist es effektiv. Während eine Banküberweisung von einem Kontinent zum andern bis zu einer Woche dauern kann, wird eine Hawala-Überweisung an einem Tag erledigt. Drittens muß weder die Großbank noch die Partnerbank, noch die Filiale der Empfängerbank involviert werden. Viertens ist das System unbürokratisch, du brauchst nicht mal ein Konto, alles läuft in bar. Und das ist der fünfte Vorteil: Es hinterläßt keine Spuren in Form von Überweisungsunterlagen. Das war’s wohl.«
    »Verstehe«, sagte Per. »Dann versuch uns doch mal eine einzelne Transaktion zu beschreiben.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, ganz praktisch. Ich bin Palästinenser und möchte meinem Vetter in Jordanien Geld schicken. Wie mache ich das dann?«
    »Okay. Dann kontaktierst du einen Hawala-Händler in Kopenhagen, dem deine Familie vertraut. Mit dessen Familie man vielleicht schon seit Generationen Geschäfte gemacht hat. Den man in der Szene kennt. Das Geschäft wird oft genug vom Vater auf den Sohn vererbt. Oder der Hawala-Händler annonciert in einer arabischsprachigen Zeitung hier im Land oder im Internet. Vielleicht betreibt er nebenher ein Teppichgeschäft oder einen anderen Import-Export-Handel. Du gibst ihm das Geld, und er zieht eine kleinere Provision ab. Meist fünf Prozent der zu überweisenden Summe. Dann ruft er an, oder, was heute immer üblicher wird, er mailt einem Hawala-Händler in Jordanien. Wenn dein Vetter in Amman wohnt, bekommt er das Geld problemlos sofort ausbezahlt. Wenn er in einem Dorf in der Provinz lebt, dauert es vielleicht einen halben Tag, aber auf jeden Fall kann er das Geld innerhalb weniger Stunden in der gewünschten Währung in Händen halten, und zwar von dem Moment an, wo du den Hawala-Händler in Kopenhagen damit beauftragt hast. Wenn alles in Ordnung ist, werden nach der Transaktion sämtliche Spuren gelöscht.«
    »Elegant«, sagte Charlotte Bastrup. »Aber E-Mail ist also auch mit im Spiel?«
    »Ja. Manchmal. Es ist vielleicht ein altmodisches System, aber sie benutzen die modernen Medien genauso wie alle andern auch.«
    »Das heißt, es gibt doch elektronische Spuren?«
    »Ja. Wahrscheinlich. Davon verstehe ich nicht soviel. Aber Namen wird es in so einer Mail nie geben. Die werden kodiert und natürlich auf arabisch geschrieben.«
    »Telefone können abgehört, E-Mails verfolgt werden, aber das ist schwierig, weil sie in der Regel sicher eine öffentliche Domäne benutzen.«
    »Das weiß ich nicht. Weitere Fragen?«
    Bastrup blieb hartnäckig.
    »Aber irgendeine Form von Vereinbarung muß es doch geben. Irgendwo müssen die Partner ihren Vertrag doch schriftlich fixieren.«
    »Es wird Buch geführt«, sagte Aischa. »Aber nicht über die einzelne Transaktion. In der Regel nur über die gesammelten Transaktionen der beiden beteiligten Hawaladars. Die wickeln viele Geschäfte zusammen ab. Und die Bücher sind handgeschrieben, sehr selten auf englisch, und die Buchungen sind kodiert.«
    »Und wie rechnen die beiden Hawala-Händler miteinander ab?« fragte Per, als ließe er sich das ungewohnte arabische Wort noch einmal auf der Zunge zergehen.
    Aischa lächelte. Sie fühlte sich wieder auf sicherem Terrain, sie wußte, daß sie sprachgewandt war und gut formulieren konnte.
    »Die beiden beteiligten Händler begleichen ihre Rechnungen, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet. Oder durch einen Mittelsmann, der etwas in Dänemark zu erledigen hat. Aber es wird alles in bar abgewickelt. Oder zum Beispiel mit einer Ladung Honig verrechnet. Die Ladung kann entweder zu hoch oder zu niedrig fakturiert werden, je nachdem, wer wem etwas schuldet. Oder die Bezahlung findet mit Elektroartikeln oder echten Teppichen statt, dann ist die Geldüberweisung in ganz legalen Rechnungen versteckt. Das Hawala-System an sich ist nicht illegal, aber man spricht von weißer und schwarzer Hawala. Ihr könnt euch schon denken, warum. Denn natürlich kann das System auch für illegale Transaktionen genutzt werden. Um Geld zu waschen. Es ist ein uraltes System, das auf persönlichen Kontakten und totalem Vertrauen beruht. So war es schon immer. Hawala ist nicht nur die Bankverbindung des kleinen Mannes, auf die er sich verlassen kann, weil es große Schande und Ausschluß und im schlimmsten Falle den Tod bedeutet,

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