Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
ausgerechnet der?« fragte Gislev. »Klingt ja nicht schlecht, aber trotzdem.«
    Aischa kam Per zuvor.
    »Weil Pu der Bär ganz wild auf Honig ist«, sagte sie.
    »Ah, stimmt. Hatte ich vergessen. Cool.«
    »Ab sofort heißt der Fall Marko ›Pu der Bär‹«, rief Tove den hinausgehenden Kollegen hinterher. Toftlund hielt Aischa noch einen Moment zurück.
    »Darf ich dich kurz sprechen?«
    »Natürlich.« Sie duftete immer noch würzig, aber nicht mehr so durchdringend wie neulich. Toftlund war nicht ganz klar, ob es ihr eigener, besonderer Duft war oder irgendein exotisches Parfüm. Lise benutzte kein Parfüm, sie begnügte sich mit Lotionen, die zu ihrem eigenen milden Duft paßten. Milch und Honig, dachte er. Danach dufteten sie und Freya, und plötzlich sehnte er sich nach ihrer Nähe. Oder vielleicht sehnte er sich auch nur nach dem Traum von einer Nähe, die einmal existiert hatte. Es war gar nicht so lange her. Auf jeden Fall sehnte er sich nach Freya und ihren warmen Ärmchen, die sich um seinen Hals schlangen.
    »Sehr schöner Vortrag, Aischa. Könntest du noch ein bißchen mehr Material zusammentragen und daraus ein Gutachten erstellen?«
    »Klar.«
    »Und wäre es möglich, daß du mir die Namen der wichtigsten Hawala-Händler beschaffst? Nicht nur in Kopenhagen, sondern in ganz Europa. Ginge das?«
    »Das ginge schon, aber vielleicht wäre es einfacher, wenn ich oder du oder wir beide mit dem Mann sprächen, der sich damit wahrscheinlich am besten auf der Welt auskennt.«
    »Und das wäre?«
    »Er heißt Ibrahim Krassilnikow. Er ist der Sohn einer Libanesin und eines russischen Adligen, der vor der kommunistischen Revolution aus Rußland geflohen und in Beirut Teppichhändler geworden ist. Ibrahim selbst ist im Libanon geboren und aufgewachsen. Er war Professor für Nahoststudien und ist dann während des Bürgerkriegs in den siebziger Jahren nach Europa geflohen. Er ist heute ein sehr alter Herr.«
    »Und wo findet man ihn?«
    »Er lebt in Venedig. Er lehrt nicht mehr, aber er forscht und schreibt noch. In Kreisen der Islamwissenschaftler und Arabisten ist er ein hochgeachteter Mann. Ich kenne seine neue Adresse nicht, aber die läßt sich leicht beschaffen.«
    Toftlund zögerte ein wenig.
    »Also gut«, sagte er dann. »Schreib das Gutachten, finde die Adresse heraus, und dann müssen wir halt bei Gelegenheit mal nach Venedig fliegen und Gondel fahren.«
    Sie mußte lachen. Es war ein tiefes, aber schönes Lachen. Die Pupillen in ihren braunen Augen wurden noch schwärzer.
    »Die Dänen und ihre kleinen Späße. Darauf könnt ihr nicht verzichten.«
    Er mußte auch lachen. Es war ein schönes Gefühl.
    »Klar, Aischa. Gelungener Einstand. Mach dich einfach an die Arbeit, klemm dich dahinter, dann wird sogar JB noch weich.«
    »Daß der Berg zu Mohammed kommt, ist eine von mehreren Stellen im Koran, an die zu glauben man so seine Schwierigkeiten hat. Wenn man es wörtlich nimmt, meine ich«, sagte sie noch immer lachend.
    »Per! Vuldom am Telefon!« rief Tove mit dem Hörer in der Hand. Sie saß breit und gewaltig an ihrem Schreibtisch am Ende des ehemaligen Wohnzimmers, in dem auch die Rechner standen, in die sich jeder mit einem Paßwort einloggen konnte. Hier herrschte sie. Die anderen Kollegen hatten ihre Büros in den früheren Kinderzimmern. Dort versuchten sie, in jenes Milieu einzudringen, dessen Protagonisten ihre Informationen und ihre Existenz mit dem gleichen Eifer zu verbergen suchten, mit dem Toftlunds Sondergruppe sie aufspüren wollte. Das Geprassel des Regens hatte aufgehört, hinter den Gardinen schien die Sonne hervorgekommen zu sein. Draußen in jener Welt, die nach einigen Tagen der Angst zur Normalität zurückfand. In der der Luftangriff auf die USA aus dem Alltagsbewußtsein des Normaldänen allmählich wieder verschwand. In der die Medien langsam zum täglichen Trott zurückkehrten.
    Per ging zu Tove hinüber. Sie behielt den Hörer in der Hand.
    »Sie ist süß, nicht?« sagte sie leise.
    »Kümmre dich um deine eigenen Angelegenheiten, Tove«, sagte Per ohne bösen Unterton.
    »Ich sag doch nur, daß sie süß ist. Stimmt es etwa nicht?«
    »Das Telefon, Tove!«
    Sie reichte ihm den Hörer.
    »Komm sofort in die Zentrale, Per!« Vuldoms Stimme klang müde, hatte aber die Autorität, die sie immer dann zeigte, wenn sie entscheidende Anordnungen geben mußte.
    »Selbstverständlich. Auf der Stelle, Frau Mama. Aber ja, danke. Ganz gut. Und wie geht’s der gnädigen

Weitere Kostenlose Bücher