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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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flüsterte sie, als Todd auf die Toilette ging.
    »Gut«, sagte ich. »Ich meine, es freut mich, wenn du ihn magst, aber ich müsste unbedingt ein paar Sachen mit dir besprechen.«
    »Lass uns später einen Spaziergang machen. Ich muss hier sowieso mal raus.«
    Beim Mittagessen gab sich Holly plötzlich sehr schweigsam, und Charlie sprang ständig auf und machte völlig unnötige Dinge am Spülbecken, wobei er ziemlich laut mit irgendwelchen Töpfen klapperte. Wir anderen sprachen darüber, dass es wahrscheinlich bald schneien würde, und ritten anschließend viel zu lange auf dem Thema Winterwetter herum. Ich berichtete, dass es in der Arktis Orte gebe, wo man kochendes Wasser in die Luft hinaufschleudern und zusehen könne, wie es gefror, bevor es den Boden erreichte. Todd berichtete von einem Skiurlaub in Norwegen, wo es so kalt gewesen sei, dass seine Wimpern einfroren und sich in seinen Nasenlöchern kleine Eiszapfen bildeten. Ich warf einen ängstlichen Blick zu Holly hinüber, weil ich befürchtete, dass sie eine sarkastische Bemerkung machen könnte. Sie grinste mich an und hob dabei kaum merklich eine Augenbraue, sagte aber nichts.
    Dann klingelte es an der Tür, und ich sah Holly zusammenzucken. Erst in dem Moment begriff ich, dass sie die ganze Zeit voller Anspannung mit dem Auftauchen unliebsamer Besucher rechnete. Sie entspannte sich erst wieder, als Charlie mit Naomi hereinkam, die neben Anthea Carter Platz nahm und alle begrüßte, als gehörte sie zur Familie. Die ganze Runde trank Kaffee. Anthea tunkte einen Schokoladenkeks nach dem anderen in ihre Tasse und verlor dabei immer wieder aufge-weichte Brocken, die sie dann mit dem Teelöffel herausfischte und laut in sich hineinschlürfte. Sie hatte zum Essen zwei Gläser Weizenbier getrunken und war ziemlich angeheitert.
    Naomi gab einen großen Schuss Milch in ihren Kaffee und dann einen ganz kleinen in den von Charlie, nur ein paar Tropfen, genau wie er es mochte. Eigentlich eine Lappalie, aber die Vertrautheit dieser Geste versetzte mir einen Stich. Ich beobachtete, wie Charlie einen Seitenblick zu Naomi warf, den sie kurz erwiderte, ehe sie sich mit sittsamer Miene, aber strahlenden Augen wieder dem Rest der Runde zuwandte.
    Sie haben etwas miteinander, schoss mir durch den Kopf.
    Holly hatte Recht gehabt, nur die falsche Frau verdächtigt. Arme Holly, dachte ich. Aber ich bedauerte nicht nur sie, sondern auch Charlie, uns alle. Es kam mir plötzlich fast pervers vor, wie wir hier alle um diesen Tisch saßen, miteinander plauderten und uns lächelnd betrogen und belogen.
    Holly stand auf und schob ihren Stuhl zurück. »Ich mache jetzt mit Meg und Todd einen Spaziergang«, verkündete sie.
    »Bist du sicher, dass –«
    »Ja, das bin ich.«
    »Möchtest du, dass ich mitkomme?«, fragte Charlie.
    »Nein, du bleibst hier. Du hast mich sowieso schon die ganze Zeit am Hals.«
    »Aber zieh dich warm an.«
    Er half ihr in den Mantel, knöpfte ihn für sie zu und band ihr einen bunten Schal um den Hals. Sie legte den Kopf in den Nacken, um ihm einen Kuss zu geben, aber er wich ihrem Mund aus und küsste sie nur ganz leicht auf die Wange.

    Todd setzte uns am Park ab und verabschiedete sich dann taktvoll. Es ging ein eiskalter Wind, was Holly aber nichts auszumachen schien. Endlich hatte ich Gelegenheit, ihr zu sagen, dass ich bei Cowden Brothers gewesen sei und sie sich keine Sorgen mehr zu machen brauche.
    »Sie haben meine Schulden einfach gestrichen?«, fragte Holly zweifelnd.
    »Sozusagen«, antwortete ich.
    »Warum?«
    »Ich hab Ihnen erklärt, dass du an dem Abend nicht ganz bei Sinnen warst und –«
    »Meg, ich bin’s, deine alte Freundin Holly. Erinnerst du dich?
    Ich bin noch nicht vollkommen plemplem, und außerdem merke ich ganz genau, wenn du nicht die Wahrheit sagst.
    Du hast dann immer so eine drollige kleine Furche zwischen den Augenbrauen.«
    »Jedenfalls brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen«, wiederholte ich. »Sie werden dich nicht mehr bedrohen. Du kannst dich auf das Gesundwerden konzentrieren.«

    »Du hast das Geld bezahlt.«
    »Das spielt keine Rolle.«
    »Du hast meine Schulden bezahlt, stimmt’s?«
    »Sozusagen«, murmelte ich.
    »Wie viel?«
    »Was du eben schuldig warst.«
    »Wie viel, Meg? Sag es mir!« Sie hielt mich am Arm fest, sodass ich stehen bleiben musste.
    »Zwölftausend«, log ich.
    Sie schloss die Augen. Ich sah, dass sie im Kopf irgendwelche Berechnungen anstellte. »Nein«, sagte sie. »Sag mir, wie viel

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