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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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sein, und obwohl ich sie nicht völlig vergaß, verdrängte ich sie doch für eine Weile aus meinen Gedanken. Verliebte sind egoistisch und blind.
    Todd und ich verbrachten Silvester und Neujahr in einem abgelegenen Cottage in Dorset. Als wir wieder zurück waren, besuchte ich Holly. Charlie war an dem Tag nicht zu Hause.
    Holly hatte am Telefon gesagt, dass sie versuche, das ganze Chaos zu ordnen, das sich während der letzten paar Monate angesammelt habe. Das sei das Mindeste, was sie tun könne, und außerdem brauche sie ja in den Wochen, die sie noch krankgeschrieben sei, irgendeine sinnvolle Beschäftigung.
    »Ich möchte dir etwas zeigen«, verkündete sie schon an der Tür.
    Sie trug eine violette Jogginghose und ein Sweatshirt, das ihr mehrere Nummern zu groß war. Sie hatte die Ärmel bis über die Ellbogen hochgekrempelt. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer.
    Überall standen Umzugskisten herum, halb gefüllt mit Ordnern, alten Zeitungen und Heften.
    »Ziehst du um?«
    »Nein, ich miste bloß aus«, erklärte sie und blickte sich um.
    »Das sind lauter alte Sachen. Essays und Referate, die ich nicht wegwerfen konnte, weil ich so lange daran gearbeitet hatte.
    Aber jetzt werde ich wahrscheinlich ein Freudenfeuer damit entzünden. Und meine alten Mädchenbücher, aber die behalte ich vielleicht für, du weiß schon, nur für den Fall …«
    »Das klingt gut«, sagte ich. »Sehr gut sogar. Was wolltest du mir zeigen?«

    »Ich hab da etwas gefunden. Ich möchte wirklich nicht unloyal sein, und Charlie hat mit mir weiß Gott viel durchgemacht, aber ich muss trotzdem mit jemandem darüber reden.«
    Sie führte mich in Charlies Arbeitszimmer und deutete auf einen Stapel Briefe auf seinem Schreibtisch. »Ich hab sie in der untersten Schublade gefunden«, erklärte sie. »Und sag jetzt bitte nicht, dass ich nicht in Charlies Sachen hätte herumschnüffeln dürfen. Ich weiß, dass das nicht richtig war, aber ich brauchte sämtliche Telefonrechnungen, um unsere Buchführung machen zu können. Ich dachte mir, wenn ich schon hier zu Hause rumhänge, könnte ich auch etwas Sinnvolles tun. Und die Rechnungen waren im ganzen Haus verteilt. Wie auch immer, lies die Briefe.«
    Ich überflog sie einen nach dem anderen, auch wenn ich mir dabei ziemlich schäbig vorkam. In allen Briefen ging es um Aufträge, die er nicht termingerecht oder gar nicht abgeliefert hatte.
    »Er hat einfach aufgehört«, sagte Holly. »Hat, glaube ich, schon seit Monaten keine einzige Illustration mehr gemacht.
    Trotzdem kommt er jeden Tag in dieses Zimmer und behauptet zu arbeiten. Er sitzt stundenlang an seinem Schreibtisch.«
    »Armer Charlie«, sagte ich lahm.
    »Genau. Aber warum tut er mir gegenüber so, als würde er arbeiten? Warum spricht er nicht einfach mit mir darüber? Ich sag dir was, Meg, wir stecken finanziell bis zum Hals in der Scheiße. Ich hab mein Konto um siebentausend Pfund überzogen, und meine Bank gibt mir kein Geld mehr. Ich musste schon die Perlenkette meiner Großmutter verkaufen. Was allerdings nicht ganz so tragisch ist, weil ich sie sowieso nie getragen habe.
    Keine Ahnung, wie sich Charlies Bank verhält. Wenn ich ihn danach frage, sagt er, das sei sein Problem, nicht meines.«
    »Er will dich nur nicht aufregen.«
    »Was, glaubt er, wird passieren? Irgendeine Art von Wunder?«
    »Es war eine schwierige Zeit, für ihn genauso wie für dich. Er will nur, dass es dir wieder besser geht.« Meine Stimme klang falsch, und ich spürte, wie mir die Röte den Hals heraufkroch.
    »Du hast wahrscheinlich Recht.« Sie rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Es ist so schwierig, alles wieder in Ordnung zu bringen. Es nimmt so viel Zeit in Anspruch, und anstrengend ist es auch. Ich wünschte, ich hätte eine Zauberpil-le.«
    Sie stieß ein nervöses Kichern aus. »Na ja, eigentlich habe ich ja sogar ein paar davon.«
    »Nimmst du sie regelmäßig?«
    »Ja, regelmäßig. Und ganz gewissenhaft. Keine Sorge. Ich nehme sie sogar an den Tagen, an denen mich jede Faser meines Körpers anfleht, sie mir nicht einzuverleiben. Da lasse ich mich auf keine Diskussion mit meinem inneren Schweinehund ein.«
    Sie schob die Brief zurück in die Schublade und hob eine am Boden liegende Telefonrechnung auf. Sie verzog das Gesicht.
    »Lieber Himmel, verbringen wir wirklich so viel Zeit am Telefon? Schau mal, wie oft ich dich im letzten Vierteljahr angerufen habe.« Ich ließ den Blick über die Zahlenreihen wandern. Meine Nummer war tatsächlich

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