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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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sehr oft vertreten.
    Dann blieb ich an einem Datum hängen. Ich nahm Holly die Rechnung aus der Hand und sah mir den Eintrag genauer an. An dem Tag, an dem Holly versucht hatte, sich umzubringen, war um fünfzehn Uhr siebzehn ein kurzes Gespräch aufgeführt. »Ich dachte, um die Zeit warst du schon … du weißt schon, bewusst-los«, sagte ich und deutete auf die Nummer.
    Holly betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen und bat mich dann um mein Handy. Ich reichte es ihr, und sie tippte die Nummer ein. »Hallo? Entschuldigung, wer ist da? Oh, tut mir Leid, eigentlich wollte ich gar nicht dich anrufen, sondern, ähm … Charlie. Entschuldige. Wir sehen uns ja bestimmt bald wieder. Ciao.« Verblüfft gab sie mir das Handy zurück.
    »Naomi. Anscheinend habe ich bei ihr auch angerufen. Wahrscheinlich, um sie um Hilfe zu bitten. Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern. Allerdings sind meine Erinnerungen an diesen Tag ziemlich wirr.«
    Obwohl ich versuchte, gegen das Gefühl anzukämpfen, war ich irgendwie enttäuscht. Holly hatte mir erzählt, sie habe mich an dem Tag zu erreichen versucht. Ich sei diejenige gewesen, an die sie gedacht habe, als sie im Sterben lag. Aber an Naomi hatte sie offensichtlich auch gedacht, sie sogar angerufen. Den Beweis dafür hielt ich gerade in Händen. Meine Nummer tauchte an diesem Tag gar nicht auf. Vielleicht hatte sie die Geschichte von ihrem Anruf bei mir nur erfunden. Um mir eine Freude zu machen. Vielleicht war es ihr nur darum gegangen, mir das Gefühl zu vermitteln, geliebt zu werden.
    »Du hast doch gesagt, die Leitung sei tot gewesen«, sagte ich in schärferem Ton als beabsichtigt.
    »Das war sie auch, da bin ich mir ganz sicher. Andererseits war ich zu dem Zeitpunkt in keinem sehr guten Zustand, Meg.
    Wer weiß, welche Zahlen ich gedrückt habe?«
    »Um fünfzehn Uhr siebzehn hat es jedenfalls funktioniert.«
    »Anscheinend.«
    »Aber dann funktionierte es plötzlich nicht mehr.«
    »Meg, ich lag im Sterben. Womöglich habe ich aus Versehen auf Wahlwiederholung gedrückt. Ich weiß es nicht.«
    »Du stehst ihr wohl sehr nahe.« Beleidigt, wie ich war, wäre ich am liebsten mit der Wahrheit herausgeplatzt.
    »Zumindest bin ich ihr nahe. Sie wohnt ja gleich nebenan.
    Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mal so recht, ob ich sie überhaupt mag – sie ist so … so … Mir fällt das richtige Wort nicht ein. So forsch. Du weißt schon, immer fröhlich und hilfsbereit. Das bringt mich manchmal ein bisschen auf die Palme. Aber vielleicht war das der Grund. Vielleicht habe ich mir einfach gedacht, sie könne mir helfen, weil sie gleich nebenan wohnt.«
    »Du weißt ihre Nummer auswendig?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Das heißt also, du hast euer Adressbuch geholt und ihre Nummer nachgeschlagen, während du ins Koma gefallen bist?«
    »Meg«, sagte Holly in ziemlich scharfem Ton, »ich habe nicht vor, weiter mit dir über diese Telefonrechnung zu diskutieren.
    Wir sollten sie uns eigentlich gar nicht ansehen. Ich möchte sie einfach nur abheften und dann möglichst schnell wieder vergessen.«
    »Du hast Recht. Du wolltest mir doch die Nummer des Reisebüros geben, von dem du mir erzählt hast«, wechselte ich so abrupt das Thema, dass sie lächeln musste. »Du weißt schon.
    Das mit den besonders abgelegenen Urlaubszielen.«
    »Ich würde dir gerne den Katalog mitgeben, aber Charlie möchte, dass wir ganz bald wegfahren. Wir müssen endlich anfangen, unsere Ehe zu kitten, und mal richtig über alles reden, was passiert ist. Im Moment beschränken wir uns noch darauf, jeden Tag möglichst problemlos hinter uns zu bringen. Wir fassen einander mit Samthandschuhen an, und jeder von uns versucht, möglichst nett mit dem anderen umzugehen. Das heißt, wenn ich nicht gerade mit einer Freundin sein Arbeitszimmer durchwühle.«
    Sie wirkte plötzlich sehr müde und niedergeschlagen. Es strengte sie sichtlich an, zu dem Stapel aus Zeitschriften und Katalogen zu gehen und mir die Reisebroschüre zuzuwerfen.
    »Das sieht wirklich alles sehr gut aus«, stellte ich fest, während ich die Seiten durchblätterte.
    Ich griff nach irgendeinem Stück Papier, das unter Charlies Schreibtisch lag, notierte mir die Telefonnummer und E-Mail-Adresse und steckte den Zettel in meine Geldbörse.

    »Wann soll’s denn losgehen?«
    »Ich schätze, schon in den nächsten Tagen. Gott weiß, wovon wir das bezahlen sollen. Aber ich glaube, wir können es uns ebenso wenig leisten, nicht zu fahren. Zumindest

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