Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
sprechen. Mir waren meine eigenen Gedanken plötzlich höchst peinlich.
    Trotzdem ging mir das Ganze nicht aus dem Kopf, und während Todd in dieser Nacht friedlich neben mir schlief, lag ich wach und zermarterte mir das Gehirn, was ich tun sollte. Ich musste die ganze Zeit an Hollys bleiches, vertrauensvolles Gesicht denken. War es das? War es das, was ich die ganze Zeit übersehen hatte?

    35
    »Ich bin in der Bar ein Stück die Straße runter.«
    »Welche Straße meinst du?«
    »Die, in der unser Büro liegt, Dummchen. Was glaubst du denn? Hast du kurz Zeit vorbeizuschauen?«
    »Bin schon unterwegs – es ist doch nichts passiert, oder?«
    »Wirst du jetzt den Rest deines Lebens jedes Mal befürchten, dass etwas passiert ist, wenn ich dich sehen möchte?«
    »Nein, ich wollte nur –«
    »Es ist alles in Ordnung. Ich würde dich nur gern sehen und dir etwas geben. Soll ich schon mal einen Tomatensaft für dich bestellen?«
    »Ja, mit viel Selleriesalz und Worcestersauce –«
    »– und schwarzem Pfeffer und einer Scheibe Zitrone, ich weiß. Dann bis gleich.«
    Egal, was Holly am Telefon gesagt hatte, ich war trotzdem davon überzeugt, dass irgendetwas vorgefallen war, und stürmte aus dem Büro, wobei ich im Laufen meinen Mantel anzog und Trish zurief, dass ich so schnell wie möglich zurückkommen und den Rest der Buchhaltung durchsehen würde.
    Holly saß an unserem alten Ecktisch. Sie hatte noch ihre Jacke an und ihren Schal umgebunden und ließ gedankenverloren das Wasser in ihrem Glas kreisen. Ihr Gesicht wirkte abgespannt und nachdenklich, aber als sie mich kommen sah, hellte sich ihre Miene auf.
    »Hier«, sagte sie. »Tomatensaft. Und …« Mit einer schwungvollen Bewegung zog sie einen Umschlag aus ihrer Tasche.
    »Hier.«
    »Was ist das?«

    »Es ist für dich.«
    Nachdem ich einen Schluck von dem Saft genommen hatte, öffnete ich den Umschlag. Er enthielt einen auf mich ausgestell-ten Scheck über sechzehntausend Pfund.
    »Holly! Nein!«
    »Du hast nicht gedacht, dass ich es dir zurückzahlen würde, oder?«
    »Ich wollte nicht, dass du es mir zurückzahlst. Es war ein Geschenk. Wie um alles in der Welt bist du an das Geld gekommen?«
    »Es war ganz einfach – nun ja, relativ einfach –, die Hypothek auf das Haus um diese Summe zu erhöhen. Fairerweise sollte ich dich allerdings warnen. Löse diesen Scheck besser nicht vor nächster Woche ein.«
    »Ich will das nicht. Dafür ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.
    Ganz im Gegenteil, es ist der völlig falsche Zeitpunkt. Ich weiß, in welcher finanziellen Notlage du steckst, und würde mich schrecklich fühlen, diesen Scheck jetzt anzunehmen.«
    »Meg, hör zu. Ich möchte darüber nicht diskutieren. Es ist dein Geld. Ich müsste mich selbst hassen, wenn ich es behalten würde. Ich weiß, dass du es mir gerne gegeben hast, und ich danke dir dafür und werde dir das nie im Leben vergessen. Nie.«
    Ihr traten Tränen in die Augen, die sie aber ungeduldig wegblin-zelte. »Das ist ein Teil meines Gesundwerdens. Mein neues Ich.
    Ich übernehme die Verantwortung für das, was ich angerichtet habe. Ich muss das tun, Meg. Ich muss. Steck es in deine Tasche. Wer weiß, was mir sonst wieder einfällt.«
    Ich tat wie mir geheißen und legte dann meine Hand auf ihre.
    Einen Moment lang saßen wir schweigend da. Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. »Dann weiß Charlie jetzt Bescheid?«
    »O ja«, antwortete sie in grimmigem Ton. »Jetzt weiß er definitiv Bescheid.«
    »Du hättest es ihm sowieso irgendwann erzählen müssen.«
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »War es schlimm?«
    »Besonders gut ist es nicht gelaufen.«
    »So schlimm?«
    »Wer kann es ihm verdenken? Ausgerechnet jetzt, wo er sicher war, nicht mehr mit bösen Überraschungen rechnen zu müssen.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Nicht viel.« Sie nahm einen Schluck Wasser. »Erst mal hat er überhaupt nichts gesagt und ist in sein Arbeitszimmer verschwunden. Beziehungsweise in das Zimmer, in dem er angeblich arbeitet.«
    »Oh«, sagte ich lahm.
    »Er kann nicht mehr. Während ich eben auf dich gewartet habe, ist mir etwas eingefallen. Damals, als ich auf der Straße durchdrehte und auf diese Leute losging und daraufhin ins Krankenhaus gebracht wurde, war ich einfach von zu Hause abgehauen. Er wusste nicht, wo ich war. Es hätte genauso gut sein können, dass ich mich unter einen Bus geworfen hatte. Die Polizei rief bei ihm an, und er fuhr ins Krankenhaus. Ich tobte wie eine Irre …« Sie stieß

Weitere Kostenlose Bücher