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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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einen so zufriedenen Eindruck machte. Ich erinnerte mich, wie er jedes Mal lächelte, wenn er mich sah, und mir seine warme Hand auf die Schulter legte, und daran, wie er am Anfang gewesen war, als er sich unsterblich in Holly verliebte. Nein, es konnte einfach nicht stimmen. Meine Gedanken waren lächerlich, abstoßend, hysterisch, verrückt.
    Aber während mir all die Gedanken durch den Kopf gingen, starrte ich wieder auf das Foto hinunter. Das war ein kühl beobachtender Mann, den ich nicht kannte, ein Mann, der von mir fremden, nicht vertrauten Emotionen geleitet wurde. Ich spürte, wie die Angst in mir hochkroch. Wieder tippte ich Hollys Nummer, obwohl ich wusste, dass sie nicht abheben würde.
    »Komm schon«, sagte ich in mein Telefon hinein, »geh ran!«
    Wo waren sie? Krampfhaft versuchte ich, mir mein letztes Gespräch mit Holly ins Gedächtnis zu rufen. Hatte sie irgendetwas gesagt, das mir einen Anhaltspunkt geben konnte? Sie hatte über ihren Last-Minute-Urlaub gesprochen, aber es hatte noch nichts festgestanden, und außerdem war es Charlie, der das Ganze plante, und nicht sie. Wer konnte etwas wissen? Ich rief ein paar ihrer Freunde an. Alle erklärten, Holly habe sich schon längere Zeit nicht mehr bei ihnen gemeldet. Als Nächstes versuchte ich es bei Hollys Mutter. Es ging niemand ran.
    Allmählich wurde mir vor Angst ganz übel, aber ich zwang mich zur Ruhe. Es konnte doch nicht so schwer sein, die beiden aufzuspüren. Bestimmt gab es eine ganz einfache Lösung. Da fiel mir die Telefonnummer des Reiseveranstalters ein, die ich mir bei Holly notiert hatte. Ich wühlte in meiner Tasche herum, bis ich den zusammengefalteten Papierfetzen fand. Ich bemerkte an der Außenseite Hollys Schrift, noch ein bisschen krakeliger als sonst, und bevor ich den Zettel auseinander faltete, um die Nummer zu wählen, las ich, was Holly geschrieben hatte.
    »Meine liebe und treue Meg«, stand da. Sonst nichts. Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, spürte aber, wie sich mein Herz erneut vor Angst um Holly zusammenkrampfte. Ich war ihre liebe und treue Freundin und musste ihr helfen. Mit zitternden Fingern wählte ich die Nummer.
    Eine Frau meldete sich. Ich erklärte ihr, Freunde von mir hätten bei ihnen einen Urlaub gebucht, und ich müsse mich möglichst schnell wegen eines privaten Notfalls mit ihnen in Verbindung setzen. Ich hielt das für eine gute Begründung, weil sie einerseits dringend klang, andererseits aber auch keine Zeit für unnötige Fragen ließ. Trotzdem erklärte die Frau widerstre-bend, sie dürfe keine Informationen über ihre Kunden herausgeben. Ich war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren, was in meinem Fall aber keineswegs bedeutet, dass ich ausraste.
    Ganz im Gegenteil, ich werde dann sehr kühl und ruhig.
    »Sie sind ein Reiseveranstalter und keine Arztpraxis«, sagte ich. »Es handelt sich um einen Notfall. Ich muss mich mit den beiden in Verbindung setzen, um ihnen etwas mitzuteilen, das sehr wichtig für sie ist. Wenn Sie damit ein Problem haben, dann verbinden Sie mich doch bitte mit Ihrem Vorgesetzten.«
    Sie bat mich, einen Moment zu warten. Ich hörte Gemurmel.
    Offenbar sprach sie mit jemandem.
    »Ich werde mal nachsehen, ob ich die Buchung finden kann«, sagte sie schließlich.
    Ich wartete eine Weile.
    »Es tut mir Leid«, erklärte sie, als sie wieder an den Apparat kam. »Ich kann nichts finden.«
    »Das ist unmöglich«, widersprach ich. »Haben Sie unter beiden Namen nachgesehen?«
    Sie hatte. Ohne Erfolg. Ich wäre vor Frustration und Wut fast in Tränen ausgebrochen. Da kam mir der rettende Gedanke: Naomi. Wenn jemand etwas wusste, dann sie. Aber das konnte ich nicht übers Telefon erledigen. Es war zu wichtig. Ich musste sie persönlich aufsuchen und dabei taktisch klug vorgehen.

    Trish war inzwischen aus der Mittagspause wieder da. Ich informierte sie, dass ich wegmüsse und nicht genau wisse, wann ich zurückkäme. Ich versprach, sie von unterwegs aus anzurufen. Ich nahm mir ein Taxi und überlegte während der ganzen Fahrt, wie ich die Sache anpacken solle. Nachdem ich mein Ziel erreicht hatte, klingelte ich vorsichtshalber erst einmal bei Charlie und Holly. Nichts. Also versuchte ich es eine Tür weiter.
    Als ich auf Naomis Klingel drückte, fiel mir ein, dass sie möglicherweise nicht zu Hause war und ich mit dieser Aktion kostbare Zeit verlor, aber gleich darauf öffnete sie mir die Tür.
    »Meg?«, begrüßte sie mich überrascht.
    Obwohl sie mich noch

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