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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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taten beide so, als würden wir Luke zuhören, rückten dabei aber immer näher zusammen. Später brachte Charlie mich nach Hause.
    Meg hatte Recht gehabt, als sie zu mir sagte, dass ich ihn mögen würde. Sie hatte außerdem erzählt, dass er anfangs ziemlich schüchtern war, aber sehr witzig sein konnte, wenn man ihn erst einmal besser kannte – und auch in diesem Punkt hatte sie Recht. Er brachte mich vom ersten Moment an zum Lachen. Von Meg wusste ich, dass er ein begabter Künstler war und alle möglichen Techniken beherrschte: Öl, Aquarell, Kohle.
    An der Kunstschule hatte er einen Comicstrip über einen ziemlich schusseligen Superhelden geschrieben, der dort regelrecht Kult wurde. Für seine Abschlusspräsentation nahm er den Inhalt eines Müllcontainers und machte daraus eine Installa-tion. Ich habe die Fotos gesehen. Wirklich erstaunlich. Schon an dem Tag, als ich ihn kennen lernte, wusste ich: Der ist es. Wäre es vom Gesetz her möglich gewesen, hätte ich ihn gleich am nächsten Tag geheiratet. So aber mussten wir uns einen Monat Zeit lassen.
    Seit jenen paar Sätzen im Taxi hat Meg nie wieder etwas zu dem Thema gesagt, abgesehen von Nettigkeiten. Und ich habe es meinerseits genauso gehalten. Wahrscheinlich werden wir uns, was das betrifft, nie wirklich aussprechen, nicht mal, wenn wir alt sind und das wilde Feuer der Liebe der Vergangenheit angehört. Trotzdem hat es keinen Sinn, sich etwas vorzumachen.
    Ich habe von Anfang an gewusst, dass sie auch in Charlie verliebt war und ihre Gefühle nicht einfach abstellen konnte, bloß weil er sich für mich entschieden hatte. Sie ist ein Mensch, der lange braucht, bis er Feuer fängt, aber wenn es erst einmal passiert ist, dann brennt die Flamme langsam und hartnäckig vor sich hin und ist nur schwer zu löschen. Auch Charlie und ich haben nie darüber gesprochen, aber er ist zu Meg immer besonders nett – auf eine herzliche, leicht neckende Art. Sie verhält sich ihm gegenüber scheu und befangen, oft auch ein wenig wortkarg. Jetzt, nachdem ich ihr meinen Fehltritt gebeich-tet hatte, empfand ich plötzlich ein heftiges Gefühl der Scham.
    »Die Wahrheit ist«, sagte ich langsam und endlich ehrlich,
    »die Wahrheit ist, Meg, dass ich selbst nicht weiß, warum ich es getan habe. Das soll keine Entschuldigung sein. Ich will nur nicht, dass Charlie davon erfährt, denn dadurch bekäme es eine Bedeutung, obwohl es in Wirklichkeit völlig bedeutungslos war.« Das reichte nicht. So leicht durfte ich es mir nicht machen. »Auf eine schreckliche, grausame Weise bedeutungslos.«
    Meg schwieg eine ganze Weile. Ich musterte sie aufmerksam, aber ihre Miene verriet mir nicht, was sie dachte. Schließlich strich sie mit einem Finger über den Rand ihrer Kaffeetasse und runzelte die Stirn. »Habt ihr irgendwelche Probleme, Charlie und du?«, fragte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. »Wir führen keine Ehe wie … nun hätte ich fast gesagt, wie meine Eltern, aber die kann man ja schlecht als Maßstab nehmen, stimmt’s? Sagen wir mal, wie deine Eltern. Wir führen beide oft unser eigenes Leben. Ich bin ständig am Rotieren wegen meiner Arbeit, und er versucht, die seine richtig in Schwung zu bringen. Er verkriecht sich manchmal stundenlang in seinem Arbeitszimmer, und wenn ich dann reinkomme, starrt er mich an, als wäre ich eine Fremde. Ich weiß, es ist alles sehr schnell gegangen. Ich meine unsere Heirat.
    Ich bin ja eigentlich nicht so der Typ zum Sesshaftwerden, aber ich weiß, dass es richtig war. Zumindest für mich. Vielleicht nicht für Charlie, vielleicht hat er mit mir keinen so guten Griff getan. Aber man sollte über so etwas wie eine Ehe nicht zu viel nachdenken, man sollte sie einfach führen. An dem festhalten, was einem wichtig ist. An der Liebe festhalten.«
    Erschöpft ließ ich mich auf meinen Stuhl zurücksinken. Ich wusste nicht, ob ich selbst glaubte, was ich gerade gesagt hatte, oder ob zumindest ein Teil von mir es glaubte, aber da ich im Moment keinen Zugang zu diesem Teil hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als die Worte auszusprechen und so zu tun, als würde ich das alles wirklich empfinden. Und darauf zu warten, dass ich es irgendwann tatsächlich wieder empfinden würde. Ein einfaches Rezept: Du tust so, als wärst du du selbst, und vielleicht wirst du es dann auch wieder sein.
    »Fühlst du dich schlecht?«
    »Es würde wahrscheinlich nicht schaden, wenn ich mal eher ins Bett käme. Dann geht es mir morgen bestimmt wieder besser. Aber so

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