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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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hast du es nicht gemeint, oder?«
    Sie musterte mich mit einem seltsamen Blick und legte dabei einen Finger an den Mundwinkel. Das macht sie immer so, wenn sie nachdenkt. »Du solltest vorsichtiger sein«, sagte sie schließlich.

    Ich rief zu Hause an. »Na, läuft bei dir alles gut?«, fragte ich.
    »Ja«, antwortete Charlie.
    »Hast du schon mit der Illustration angefangen?«
    »Nein, noch nicht. Ich brauche Zeit.«
    »Ich weiß, aber es wäre schade, wenn du den Auftrag verlieren würdest, und wir könnten das Geld so dringend –«
    »Ich habe doch gesagt, dass ich es mache! Es schafft nun mal nicht jeder so wie du, schon vor dem Frühstück zehn Sachen zu erledigen.«
    Ich spürte, wie die Wut in mir hochkochte, schämte mich aber sofort heftig dafür. Wie kam ich dazu, mich über einen anderen Menschen aufzuregen, noch dazu über Charlie? »Du hast Recht«, antwortete ich. Ich sagte ihm, dass ich gegen sechs nach Hause kommen und etwas zu essen mitbringen würde.
    »Oder wir holen uns irgendwo was«, fügte ich hinzu.

    »Gute Idee.«
    »Ich liebe dich.« Aber Charlie hatte schon aufgelegt.
    Es gelang mir tatsächlich, pünktlich im Büro aufzubrechen.
    Ich hatte mir vorgenommen, in den Supermarkt zu gehen und mich wie eine richtige Ehefrau zu verhalten. Statt immer nur von einem Moment auf den anderen zu leben, würde ich endlich mal vorausplanen und den Einkaufswagen mit Lebensmitteln für die ganze Woche beladen. Dann konnte ich uns nachher eine richtige Mahlzeit kochen, vielleicht ein Huhn. Sogar ich würde es schaffen, ein Huhn zuzubereiten. Bei dem Gedanken an Essen wurde mir gleich wieder übel, obwohl ich eigentlich Hunger hatte.
    Auf dem Weg zur U-Bahn kam ich an einer Reihe von Läden vorbei. Bei einem davon, einem kleinen Lebensmittelgeschäft, war ein Fenster eingeschlagen. Der Schaden war mit einer Plastikplane abgedeckt, die sich im Wind blähte. Vor dem Laden stand eine Asiatin in einem grauen Nylonkittel über den Gehsteig gebeugt. Eine ungute Erinnerung bahnte sich nagend den Weg in mein Bewusstsein. Hier war ich letzte Nacht gewesen. Das Ganze war meine Schuld. Als ich neben der Frau stehen blieb, blickte sie hoch. »Wie schrecklich für Sie«, sagte ich.
    Sie zuckte bloß mit den Achseln, müde und resigniert, als wäre das nun mal ein Teil des Lebens, mit dem man sich abfinden musste, wie Wind und Regen. »Es ist nicht das erste Mal.«
    Ich griff nach einem der Einkaufskörbe, die draußen neben dem Ladeneingang gestapelt waren. »Ich brauche sowieso ein paar Sachen«, erklärte ich. »Es ist mir ein Rätsel, weshalb ich noch nie bei Ihnen eingekauft habe. Wo ich doch auf dem Heimweg von der Arbeit jeden Tag hier vorbeikomme.«
    Dann würde es eben kein Huhn geben. Ich kaufte ein Päckchen gemahlenen Kaffee und Teebeutel, außerdem ein paar Liter von einer Milchsorte, die, wie ich hinterher zu Hause feststellte, völlig ungenießbar schmeckte. Doch damit nicht genug, erstand ich noch zwei verschrumpelte, in Zellophan verpackte Äpfel, acht Rollen extraweiches rosafarbenes Toilettenpapier, eine Flasche Spülmittel, vier Schachteln Zigaretten, einen halben Liter überteuerten Gin, Limettensaft und Orangensaftkonzentrat, obwohl Charlie und ich das Zeug nicht ausstehen können.
    Anschließend holte ich mir noch einen zweiten Korb für Müsli, Sesambrot, ein Glas Marmelade, einen Becher streichbare Butter, mehrere Päckchen Kaugummi, Kekse und Bier. Nachdem ich bezahlt hatte, hievte ich meine Tüten hoch, die so schwer waren, dass mir die Henkel in die Finger schnitten, und wandte mich zum Gehen.
    In der nächsten Straße kam ich an einer Filiale meiner Bank vorbei. Ich überprüfte am Automaten meinen Kontostand.
    Einhundertzweiundvierzig Pfund und dreiundvierzig Pence. Ich hob hundertvierzig Pfund in sauberen, druckfrischen Scheinen ab. Nachdem ich eine Weile in meiner Tasche herumgewühlt hatte, fischte ich ein altes Briefkuvert heraus. Ich steckte das Geld hinein und kritzelte – mit einer Schrift, von der ich hoffte, dass sie aussah wie die irgendeines beschränkten Randalierers –
    »FÜR DAS FENSTER« auf den Umschlag. Dann holte ich tief Luft und marschierte zu dem Geschäft zurück. Hinter der Theke stand jetzt ein Mann, wahrscheinlich der Ehemann der Frau, die ich draußen vor dem Laden angetroffen hatte. Ich legte den Umschlag auf die Theke.
    »Das habe ich draußen auf dem Gehsteig gefunden«, erklärte ich. »Ich nehme an, es ist für Sie.«
    Ich ließ ihn mit verdutzter Miene

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