Der Feind in deiner Nähe
dass ich unbedingt eine kaufen muss. Die da drüben.« Ich machte eine Handbewegung in die entsprechende Richtung.
»Das freut mich aber.« Die Farbe kehrte in sein Gesicht zu-rück. »Ich stelle Ihnen gleich meine Agentin vor. Da kommt sie gerade.«
Hinter mir hörte ich Stuart in warnendem Ton flüstern, dass die Sachen sehr teuer seien, aber ich ignorierte ihn einfach.
»Ich kann Ihnen einen Scheck ausstellen«, sagte ich. Wieder fing mein Telefon in meiner Tasche zu vibrieren an. »Oder eine Anzahlung machen. Wie es Ihnen lieber ist. Aber das bespreche ich am besten mit Ihrer Agentin, oder?«
»Holly?«, fragte Stuart noch einmal. Er hatte es irgendwie geschafft, zwei weitere Gläser Wein zu organisieren, eines mit Rotwein, eines mit Weißwein, und trank aus jedem jeweils einen großen Schluck. »Bist du sicher –«
»Absolut. Wozu verdient man Geld, wenn nicht zum Ausgeben?«
Eine halbe Stunde später suchte ich die Toilette auf. Mein Kopf fühlte sich seltsam hohl an, und an der linken Wange hatte ich ein lästiges nervöses Zucken. Eine der Kabinen war bereits besetzt, und die betreffende Dame hatte ihren Brokatschal und ihre teuren Lederhandschuhe auf der Seite abgelegt. Ich erkannte die Sachen wieder, sie gehörten dem rothaarigen Monster mit der lauten Stimme, das Laurie so beleidigt hatte. Mein Herz begann wie wild zu klopfen, ich bekam vor Aufregung kaum noch Luft, und mir brach der Schweiß aus. Gleichzeitig erheiter-te mich mein Vorhaben derart, dass mir ein leises Glucksen entwischte, ehe ich nach dem Schal und den Handschuhen griff und die Sachen in meine Tasche stopfte. In dem Moment wurde drinnen die Spülung betätigt, und ich verließ eilig den Raum.
»Ich muss gehen«, erklärte ich atemlos, als ich wieder bei Stuart war.
»Aber wir –«
»Tut mir Leid, ein Notfall. Ich rufe dich an, oder du kannst mich in der Arbeit anrufen. Morgen oder übermorgen. Ich würde mich freuen, wenn wir bald mal wieder etwas miteinander unternehmen könnten. Bis dann!«
Während ich mit meiner dicken Tasche unter dem Arm aus der Galerie stürmte und die Straße entlangrannte, schüttelte es mich vor Lachen. In den schmalen Straßen musste ich Radfahrern und Taxis ausweichen und wurde mehrmals angehupt. Irgendwann begann mein Handy von neuem zu vibrieren, und diesmal fischte ich es aus der Tasche. Es war Charlie, und er war schrecklich wütend. »Holly, ich versuche schon die ganze Zeit, dich zu erreichen. Wo, zum Teufel, bist du?«
»O Gott.« Ein Gefühl von Verzweiflung packte mich. Ich blieb wie angewurzelt stehen und blickte mich auf der dunklen, mit Müll übersäten Straße um, starrte auf die Pfützen schwefeli-gen Lichts, um die sich dubios aussehende Männer scharten.
»O nein!«
»Du hast es vergessen.«
»Nein! Ja. Oh, Mist. Ich bin auf dem Weg nach Hause. Wie spät ist es?«
»Fast neun. Ich sitze hier schon seit fünfundvierzig Minuten herum.«
Ich blieb am Telefon, bis ich zu Hause war, und entschuldigte mich immer wieder.
11
»Was wir brauchen«, sagte Charlie, »ist ein Plan.«
»Ein Plan?«
»Das war heute nicht gerade ein produktiver Tag.«
Wenn wir jetzt schon das Stadium erreicht hatten, in dem ich mich darauf verlassen musste, dass Charlie für uns die Planung übernahm, dann steckte ich wirklich in Schwierigkeiten.
Jedenfalls war das mein erster Gedanke. Mein zweiter war, dass Charlie wahrscheinlich Recht hatte. Es war Samstag, der Tag, nachdem ich mit Stuart diese schreckliche Ausstellung besucht und darüber eine Verabredung mit meinem Ehemann vergessen hatte. Ein weiterer Abend, an dem ich Spaß gehabt hatte.
Mittlerweile war es Nachmittag, schon zehn nach vier. Und was hatte ich als Tagwerk vorzuweisen?
Nicht sehr viel. Ich hatte einen Traum gehabt, in dem ich im Begriff war, zu einer Reise aufzubrechen. Ich weiß nicht, ob ich auswandern oder nur in Urlaub fahren wollte, aber das spielte auch keine Rolle. Ich konnte weder mein Ticket noch meinen Pass finden, und mein Reiseziel hatte ich ebenfalls vergessen.
Und dann stellte ich fest, dass ich noch nicht einmal gepackt hatte, obwohl ich sicher gewesen war, das bereits getan zu haben, sodass ich ganz von vorn anfangen musste. Ich konnte keine Tasche für meine Sachen finden, und ein weiteres Problem bestand darin, dass der Boden mit Haferbrei bedeckt war, was zur Folge hatte, dass ich nur sehr langsam vorankam. Ich sah immer wieder auf die Uhr, weil ich befürchtete, mich zu verspäten, konnte auf dem Zifferblatt
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