Der Feind in deiner Nähe
von Einigung zu kommen. Wenn wir monatelang herumstreiten, noch dazu über unsere Anwälte, sind wir am Ende alle Verlierer. Zumindest weiß ich, dass Meg und Trish das so sehen.«
»Kann ich vielleicht irgendwie helfen? Ich könnte als Vermittler fungieren. Selbstverständlich ohne Anwaltshonorar.«
»Nein, nein, lassen Sie sich deswegen keine grauen Haare wachsen. Ein wirklich nettes Angebot von Ihnen, aber das Ganze ist meine Schuld und mein Problem, und wenn jemand sich darum kümmern muss, dann bin ich das.«
»Ganz im Gegenteil. Meiner Meinung nach sind Sie die dafür am wenigsten geeignete Person. Außerdem ist das mein Job. Ich kümmere mich um Personalprobleme. Lassen Sie es mich machen, einfach als Freundschaftsdienst.«
»Es würde nicht funktionieren. Sie haben doch gesehen, wie sie war.«
»Sehr wütend«, gab Stuart mir Recht. »Lassen Sie es mich wenigstens versuchen. Haben Sie ihre Telefonnummer?«
»Nein. Aber Trish hat sie.«
»Trish?«
»Im Büro. Sie kann sie Ihnen geben. Oder Sie schlagen die Nummer einfach im Telefonbuch nach – ihr Name ist Deborah Trickett, und ich weiß, dass sie in Kensington wohnt. Willow Lane, glaube ich.«
»Deborah Trickett, Willow Lane«, wiederholte er.
»Ich halte das für keine sehr gute Idee.«
»Es ist eine Herausforderung.«
»Hören Sie, Stuart, ich glaube, ich sollte jetzt nach Hause fahren.«
»Aber Sie wollten doch mit zu der Ausstellung. Das war vorhin keine geniale Improvisation von mir. Ich bin tatsächlich unterwegs zur Vernissage eines Freundes. Die Galerie ist gleich da vorn, am Ende der Straße. Kommen Sie doch mit. Das wird bestimmt nett.«
»Sehr lieb von Ihnen, vielleicht an einem anderen Tag, aber ich hatte in letzter Zeit sehr viel um die Ohren, und ich glaube nicht, dass ich heute in der richtigen Verfassung für so etwas bin. Irgendwie habe ich gar keine Energie mehr.«
»Das klingt aber so gar nicht nach Ihnen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie sind doch sonst so ein Energiebündel. Das war einer der Gründe, warum ich mit Ihnen sprechen wollte. Dieses Wochenende mit Ihnen hatte etwas ganz Besonderes. Es lag nicht an dem, was wir getan haben. Diese dämliche Floßfahrerei machen andere wahrscheinlich auch. Trotzdem sind die Leute bei uns in der Firma immer noch ganz enthusiastisch. Das haben Sie bewirkt.«
»Also gut«, sagte ich. »Ich komme für eine halbe Stunde mit.«
Ich zog meine Umhängetasche, die mir von der Schulter gerutscht war, wieder hoch. Meine Knöchel schmerzten, und ich hatte Wasserblasen an den Fersen. Mein Gesicht kribbelte ein wenig, als wäre es mir eingeschlafen, aber ich glaube nicht, dass einem wirklich das Gesicht einschlafen kann. Ich wollte mir die Wange reiben, fasste jedoch irgendwie daneben und versetzte mir selbst einen Nasenstüber.
»Was für eine Art Freund ist er?«
»Was für eine Art Freund? Na ja, er ist …«
»Nein, ich meine, was für eine Art Ausstellung?«
»Oh, Kunst im weiteren Sinn. Objekte aus … Sie wissen schon, aus allen möglichen Sachen. Es ist ein bisschen schwierig zu beschreiben. Manche davon sind sehr schön, wenn auch auf eine ganz eigene Weise.«
»Wunderbar«, sagte ich. »Dann nichts wie los.«
Ich stolperte gleich beim ersten Schritt. Stuart streckte geistes-gegenwärtig den Arm aus, um mich zu stützen, und musterte mich dann prüfend. »Vielleicht sind Sie wirklich ein bisschen müde.«
»Nein, es geht schon wieder. Ich bin fest entschlossen mitzukommen.« Meine Begeisterung klang aufgesetzt, ihm war bestimmt klar, dass ich eigentlich gar keine Lust hatte.
»Es ist gleich da vorn, auf der linken Seite. Die Oryx Gallery.«
»Die kenne ich. Vor ein paar Wochen haben sie da mal Schuhe ausgestellt, die ganz aus Essen bestanden.«
»Gehen Sie immer so schnell?«
»Ist das schnell?«
»Wir müssen kein Rennen gewinnen, Holly.«
»Doch, ein Rennen gegen die Zeit. Wir können gewinnen.
Aber nun sind wir ja schon da. Brauchen wir eine Einladung, um reinzukommen?«
»Ich hab eine. Für zwei Personen.«
»Für zwei? Hat Sie jemand versetzt?«
»Ich habe jemanden versetzt.«
»Aha.«
Er schob die Tür auf, und einen Moment später hatten wir die Leute auf der Straße, den Wind und Regen hinter uns gelassen und traten in einen hellen Kokon aus leuchtend weißen Wänden, glänzenden Bodendielen und Reihen von Scheinwerfern, die entlang der Decke verliefen und deren Licht von den schim-mernden Holzflächen darunter reflektiert wurde. Der Raum war von leisem
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