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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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gleich durchdrehe oder explodiere, wenn ich nicht sofort verschwinde, um meine Ruhe zu haben. Bin ich dann aber allein, kann ich das auch nicht ertragen. Ich kann es nicht erklären, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, ich –«
    »Wie wär’s, wenn du mit Rees anfängst? Ich glaube, den Namen habe ich richtig verstanden, oder?«
    Eiseskälte fraß sich bis in meine Knochen. »Rees?«, fragte ich.
    »Was ist mit ihm?«
    »Das würde ich gern von dir erfahren.«
    »Er ist nicht wichtig.«
    »Du meinst, genau wie dieser Stuart?«
    »Nein, ich meine … es hatte irgendwie gar nichts mit ihm zu tun … das, was passiert ist, obwohl er natürlich dabei war, aber es hätte jeder sein können. Ich meine …« Ich rieb mir hektisch die Augen. Ich wusste selbst nicht, was ich meinte. Ich hätte ihm so gern in klaren, verständlichen Worten berichtet, wie das alles abgelaufen war, meine Sünden und Verfehlungen offen und ehrlich auf den Tisch gelegt, aber ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es war, als hätte ich ein Knäuel von Drähten im Kopf, sodass ich nur wirres Zeug daherredete.
    »Woher weißt du von ihm?«, fragte ich stattdessen.
    »Er hat mich angerufen«, antwortete Charlie. Zum ersten Mal klang seine Stimme ein wenig brüchig. Vor Kummer? Wut?
    Hass? Ich wusste es nicht.
    »O mein Gott, Charlie, das tut mir Leid. Es tut mir so Leid.
    Was hat er gesagt?«
    »Das erste Mal hat er mich auf dem Handy angerufen. Ich frage mich, wie er an die Nummer gekommen ist.« Verlegen murmelte ich etwas, aber er sprach weiter, ohne auf mein Gestammel zu achten. »Er hat mich gefragt, ob ich weiß, was du alles treibst. Ich dachte erst, es wäre irgendein Irrer, der ausge-tickt ist, weil du ihm etwas angetan hast; davon scheint es zurzeit ja einige zu geben. Beim zweiten Mal, vor zwei Tagen, hat er zu Hause angerufen und nach dir verlangt, und dann hat eins zum anderen geführt, und er hat mir gesagt, wer er ist.«
    »Was hat er dir erzählt?«
    »Das dritte Mal, gestern Abend, hat er gesagt, du seist im Bett eine richtige Wildkatze. Dann fragte er mich, ob ich wisse, was du in dem Moment gerade treibst.«
    »Wie schrecklich für dich. Wie widerlich. Du hättest es mir sagen sollen.«
    »Was? Hättest du mich dann getröstet?«
    Ich begann wieder wirres Zeug zu stammeln, aber Charlie unterbrach mich: »Sag mir bloß eins: Hast du mit diesem Kerl geschlafen?«
    »Ja«, antwortete ich. »Vor ungefähr einem Monat. Ich war total betrunken.«
    »Mal wieder.«
    »Ja. Mal wieder. Und da ist alles außer Kontrolle geraten. Ich konnte hinterher selbst nicht fassen, dass ich das wirklich getan hatte. Es war wie ein Traum, ein Alptraum, als wäre eine andere Person in meinen Körper geschlüpft. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, wie er ausgesehen hatte. Ich wollte einfach so tun, als wäre es nicht passiert.«
    Ein Ausdruck tiefsten Abscheus huschte über Charlies Gesicht. Ich streckte die Hand nach ihm aus, aber er rückte von mir ab, als wäre es ihm unerträglich, von mir angefasst zu werden.
    Das konnte ich gut verstehen. Ich fand mich selbst zum Kotzen.
    »Ich weiß«, fuhr ich fort. »Ich will damit nur sagen, dass es ein unendlich dummer, völlig sinnloser One-Night-Stand war. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil … na ja, weil ich wusste, dass es dich verletzen würde, und weil es nichts zu bedeuten hatte. Es hatte wirklich nichts zu bedeuten«, wiederholte ich.

    »Jedenfalls bedeutet es nicht, dass ich dich nicht mehr liebe und begehre. Ich liebe nur dich. Charlie?«
    Er musterte mich mit einem Blick, aus dem fast so etwas wie Staunen sprach. »Weißt du eigentlich, was du da redest?«, fragte er.
    »Wie meinst du das?«
    »Wie soll ich darauf deiner Meinung nach reagieren – auf diesen ganzen Mist?«
    »So etwas wird nie wieder passieren. Ich werde mich ändern«, antwortete ich verzweifelt. »Wenn du mir noch eine Chance gibst. Wenn du mir verzeihst.«
    »Weißt du was, Holly? Ich kann darüber jetzt nicht sprechen.«
    »Charlie –«
    »Ich war immer so stolz auf dich … so stolz, derjenige zu sein, den du geheiratet hast.«
    »Bitte, ich werde dafür sorgen, dass du wieder stolz auf mich sein kannst. Bitte.«
    »Ich komme mir vor wie ein Vollidiot. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich muss erst mal nachdenken. Ein bisschen allein sein.«
    »Ja, ja, natürlich. Das verstehe ich. Aber ich werde … na ja, ich werde bereit sein, wann immer du wieder mit mir reden möchtest. Ich bleibe heute zu Hause.

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