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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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das Pokerspiel veranstaltet hat, und der Mann, den ich zu Boden geschlagen habe.«
    Ich sah Meg überrascht blinzeln, redete aber einfach weiter:
    »Und Charlie war auch da, glaube ich. Und du. Ihr habt mir alle Vorwürfe gemacht, mich schlimmer Dinge beschuldigt.
    Wenn ich vor Gericht ginge, würde ich diesen Alptraum wahr werden lassen. Dann müsste ich das alles wirklich durchmachen.«
    Ich stand auf und stellte fest, dass ich nicht mehr ganz so wackelige Beine hatte. »Vielen Dank«, sagte ich zu Gill Corcoran. »Sie haben mir sehr geholfen.«
    Als wir uns die Hand gaben, ging mir durch den Kopf: Sie hätte eine Freundin von mir sein können. Eine Sorgen gewohnte Polizistin, die Nachtschicht schob. Ein kleiner Lichtblick in der Dunkelheit.
    Meg fuhr mich nach Hause. Sie wollte noch mit hineinkom-men, doch ich bestand darauf, Charlie allein gegenüberzutreten.

    18
    Aber Charlie war nicht zu Hause. Das Haus war dunkel, still und leer.
    Ich ging nach oben, zog mein Kleid aus, warf es in eine Ecke und schlüpfte in meinen Bademantel. Ich bürstete mir das Haar, ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, und band es zu einem strengen Pferdeschwanz zusammen. Dann ging ich in die Küche, wo ich Eiswürfel aus dem Gefrierfach nahm, in ein Tuch wickelte und dieses dann vorsichtig an meine pochende Wange drückte.
    Ich rief Charlie auf dem Handy an, aber es begann in seinem Versteck hinter dem Toaster zu klingeln. Ein kleiner Teil von mir war erleichtert darüber, dass ich ihm nicht zu erzählen brauchte, was passiert war, aber gleichzeitig wusste ich, dass sich unsere Beziehung jedes Mal, wenn wir nicht miteinander sprachen, die Erklärungen und Geständnisse auf später verscho-ben, ein wenig mehr auflöste, bis am Ende nichts mehr übrig sein würde, das sich wieder zusammenfügen ließ, abgesehen von ein paar Erinnerungen. Ah ja, ich war einmal diese Frau und er dieser Mann. Es hatte eine Zeit gegeben, da wussten wir über jede Kleinigkeit Bescheid, die der andere machte, und konnten sogar sagen, was dem anderen gerade durch den Kopf ging.
    Wenn es in einer Beziehung stimmt, dann erzählt man sich die kleinen Dinge – dass einen leichte Halsschmerzen plagen, welches Sandwich er zu Mittag gegessen, was jemand im Bus zu einem gesagt, was für einen schönen Sonnenuntergang man gesehen oder welche Socken er sich gekauft hat – ebenso wie die großen.
    Ich hatte keine Ahnung, wo er sich jetzt befand, mit wem er zusammen war oder was er gerade tat. Oder was er gerade dachte. Ich wusste nicht, was ich zu ihm sagen sollte, wenn er nach Hause kam, und genauso wenig wusste ich, was er antworten würde. Würde sein Gesicht freundlich sein oder hart? Würde ich eine andere Frau an ihm riechen? Eine Frau, die nett, ruhig und tolerant war. Eine, die nicht nervte.
    Ich machte mir Rührei auf Toast und zwang mich, es zu essen.
    Hinterher trank ich zwei Tassen grünen Tee. Ich presste die Stirn ans Küchenfenster und starrte in den dunklen, ungepfleg-ten Garten hinaus, wo ein böiger Wind durch das lange Gras fuhr und an den Ästen der Bäume zerrte. Ein Schauder lief durch meinen Körper.
    Es klingelte an der Tür. Ich ging bis in die Mitte der Küche und blieb dort unsicher stehen. Charlie würde nicht klingeln, und jemand anderen wollte ich nicht sehen.
    Es klingelte wieder. Zweimal kurz, einmal länger. Vielleicht hatte Charlie seinen Schlüssel vergessen. Nachdem ich den Gürtel meines Bademantels zugebunden hatte, ging ich in die Diele, öffnete die Haustür einen Spalt weit und spähte hinaus.
    »Sie müssen die falsche –«
    Sein schwerer Stiefel war in der Tür, bevor ich sie zuschlagen konnte, und gleichzeitig stieß er ein seltsames kleines Lachen aus, als hätte ich etwas Lustiges gesagt.
    »Vorsicht«, sagte er und schob die Tür so heftig auf, dass ich rückwärts in die Diele stolperte. »Du musst Holly sein.«
    Er war jung, wahrscheinlich noch keine zwanzig, und hatte ein Gesicht voller Pickel und einen sehr dünnen Hals. Sein Haar war raspelkurz geschoren. Er hatte einen Ring in der linken Augenbraue und mehrere im linken Ohr, aber keine im rechten, denn davon waren nur noch Teile übrig. Es sah aus, als hätte jemand ein riesiges Stück herausgebissen. Er trug eine weite Armeehose und darüber trotz der Kälte nur ein schmuddeliges graues Unterhemd. Seine Arme waren wild tätowiert, und unter seinem Unterhemd lugte der Ansatz einer weiteren Tätowierung hervor.
    »Ich kenne Sie nicht«, sagte ich. »Bitte gehen

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