Der Feind meines Vaters - Roman
Ich weiß nicht, ob ich richtig gehandelt habe, nun ja, besser gesagt, ich weiß, dass es falsch war, aber ehrlich gesagt habe ich mir vor Angst in die Hosen gemacht und die Pistole fallen lassen. Er hatte seine auf mich gerichtet, und auf seinem Gesicht las ich, dass er mich töten wollte, ich schwöre, Antonino, aber er tat es nicht. Ich glaube, er wollte nur sprechen, er wollte sichergehen, dass ich mir alles anhöre, was er zu sagen hatte, hier unten bin ich ganz allein, das sagte er als erstes, hier unten bin ich ganz allein, aber oben gibt es noch viele andere.
Und da griff auch Vater nach der Flasche und nahm einen Schluck. Ich sah, wie er beim Trinken den Kopf in den Nacken legte und wie Mutter beide Hände vor den Mund hielt, wie immer, wenn sie Angst hatte. Dann ging sie zur Spüle, ich dachte, um ein Glas zu holen, doch sie kam mit zweien zurück, nahm ihm die Flasche aus der Hand, schenkte beide Gläser voll und nahm einen kräftigen Schluck. Ich hatte Mutter nie trinken sehen, und sie war schwanger, trotzdem stürzte sie ihr halb mit Schnaps gefülltes Glas in einem Zug herunter, doch es wunderte mich nicht. Das hat er mir gesagt, Antonino, und ich hätte begreifen müssen, aber es ging nicht in meinen Kopf. Was meinst du damit, du bist ganz allein, ich verstehe dich nicht, Miguel, was redest du da? Aber darauf wollte er nicht antworten, sag Pastora, dass ich sie liebe, meinte er weiter, sag ihr, dass ich sie liebe, wie ich noch nie jemanden geliebt habe, dass ich sie mehr liebe als mein eigenes Leben, und da brach ihm die Stimme, als verlöre er die Fassung, doch dann lächelte er, du wirst es nicht verstehen, sagte er noch, aber sie schon. In diesem Augenblick war er er selbst und nicht mehr er, sagte Curro, und mein Vater fragte nicht nach, er war er und ein anderer, und auch meine Mutter wollte ihn nicht unterbrechen, es war, als hätte er ein anderes Gesicht, wisst ihr? Denn anders als ich konnten sie nicht wissen, was Curro meinte. Es war, als hätte er andere Augen, ein anderes Gesicht, einen anderen Mund, ich sah einen Erzengel namens Miguel Sanchís, das war sehr seltsam, sehr eigenartig, ich kann es euch nicht richtig erklären. Es war das Gesicht einer klassischen Statue, fröhlich und heiter, das er hinter einer grausamen Maske versteckte, aber ich sah ihn und erkannte ihn nicht, weil er keine Ähnlichkeit mit sich selbst hatte. Ich sah das unschuldige Gesicht, das unter der Maske eines unversöhnlichen Betrügers atmete, und ich weiß, dass ihr es nicht glauben werdet, dass ihr es nicht verstehen werdet, weil Sanchís länger als zwei Jahre mein Partner war, und trotzdem war es, als hätte ich ihn nie zuvor gesehen, und ich verstand nichts, begriff nicht, was hier geschah. Er zielte immer noch auf mich und fuhr mit einer sanften, leisen Stimme fort, die ihm nicht gehörte: Tu mir einen Gefallen und sag den Rubias, dass es mir leid tut, und er sagte sogar bitte, das hatte er noch nie getan. Obwohl Fernanda es vielleicht schon weiß, bitte ihre Mutter darum, mir auch zu verzeihen, sag ihr, ich wusste, dass Saltacharquitos sich in jener Nacht mit einer Kugel in der Schulter auf dem Dachboden versteckt hatte und ich euch ablenken und von dort weglocken musste, also tat ich das, was notwendig war, das erklärte er mir und noch andere Dinge und zum Schluss, dass ich mit Nino sprechen solle …
Mit Nino? Es war das einzige Mal, dass Vater ihn unterbrach, ohne seine Beunruhigung zu verbergen, aber auch ohne mich anzusehen. Mit Nino? Warum? Nun, seit der Nacht, als wir Fernanda bei mir hatten … Curro wollte nicht in die Details gehen, und niemand hakte nach, also seitdem war er sehr gemein zu ihm, er ließ ihn nicht in Ruhe, und das stimmte, er war sehr gemein zu mir gewesen und hatte mich nie in Ruhe gelassen, aber in diesem Moment spürte ich, wie mir die Tränen kamen, ohne zu wissen, warum, in diesem Moment empfand ich grenzenloses Mitleid mit Miguel Sanchís. Er war eigenartig, ein Dreckskerl, der es genoss, Menschen zu schikanieren, der Spaß daran hatte, einer Frau mit Vergewaltigung zu drohen, aber derselbe Dreckskerl hatte mich nicht verraten, als er mich an jenem Sonntagnachmittag mit Elena vor der Churrería gesehen hatte. Vielleicht wollte ich deshalb um ihn weinen, und weil ich ahnte, dass er am Ende dieser Geschichte nicht mehr am Leben wäre, weil ich wusste, dass er tot war, noch bevor Curro seinen Bericht beendet hatte. All das sagte er, und am Schluss fragte er mich, ob ich es
Weitere Kostenlose Bücher