Der Feind meines Vaters - Roman
weggeblasen, aber ein Ausdruck von Sorge, den ich nicht ganz verstand, zeigte sich auf seiner Stirn. All das verlor an Bedeutung, als ich die Tür öffnete und Curro sah, der totenblass vor mir stand.
»Komm rein«, sagte ich, und er trat ein, löste meine Hand von der Klinke und schloss leise die Tür.
Dann taumelte er wie ein Betrunkener oder ein Verletzter auf das Fenster zu, das auf den Hof hinausging, schloss die Läden, setzte sich auf einen Stuhl und vergrub den Kopf in den Armen auf dem Tisch. So fand Vater ihn, als er in seiner Uniform in die Küche kam, die Waffe gut sichtbar am Gürtel.
»Müsstest du nicht auf Patrouille sein?« Curro hob den Kopf und sah ihn mit großen geröteten Augen an, die in der gelblichen Blässe der Haut glühten.
»Ja, war ich auch, aber …« Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und schüttelte den Kopf, als wüsste er nicht, wo anfangen. »Du wirst nicht glauben, was passiert ist, Antonino. Ich glaube es ja selbst nicht.«
»Soll ich euch Kaffee machen?« Mutter hatte sich mittlerweile gekämmt, einen dicken Wollumhang über das lange Nachthemd geworfen, das ihr bis zu den Knöcheln reichte und so aufregend war wie die Kutte einer Karmeliterin, und trat vorsichtig zu ihnen.
»Ja«, antwortete ihr Mann, ohne sie anzusehen.
»Ich hätte lieber ein Gläschen«, und bevor sein Gastgeber widersprechen konnte, beharrte er: »Auch wenn ich im Dienst bin, ich muss etwas trinken, um wieder zu mir zu kommen, Antonino. Siehst du nicht, wie ich zittere?«
»Ist ja gut.« Vater stand auf und ging zum Küchenschrank. Als er sich mit einer Flasche in jeder Hand umdrehte, musste er mich gesehen haben, blickte mich aber nicht an. »Ich habe noch etwas Kognak, aber wenig. Und Trester …«
»Egal was.« Curro streckte den Arm aus, nahm eines der sauberen Gläser aus dem Geschirrregal und schenkte sich den Rest des Kognaks ein. »Egal.«
Ich lehnte an der Tür des Kinderzimmers und wartete darauf, dass sie mich wegschickten, doch keiner dachte daran, ehe Curro zu Ende erzählt hatte, was sich in jener Nacht zugetragen hatte. Er war der einzige, der mich sehen konnte, hielt aber den Blick auf Vater gerichtet, der mit dem Rücken zu mir saß, und blickte auch nicht ein einziges Mal nach rechts, wo Mutter stand und ihn ansah. Auch sie schien nicht registriert zu haben, wie ich reglos dastand, ohne ein Wort, ohne mir meines Atems bewusst zu sein, da ich nur auf Curro achtete, auf die Worte, Pausen und Sätze seiner seltsam verwirrenden Geschichte. Man konnte sie von Anfang bis Ende nicht glauben, sie konnte nicht stimmen, weil nicht einmal Curro, der dabei gewesen war, verstehen konnte, was passiert war, als Juan el Pirulete mit einer Kugel zwischen den Augen zu Boden ging. Ich war dabei und habe es gesehen, aber nicht verstanden, ich habe es gesehen und konnte es nicht glauben, ich schwöre, Antonino, ich stand daneben und konnte nicht glauben, was ich sah …
Seine Hände zitterten, während er den Kognak hinunterspülte, sie zitterten, als er nach der Tresterflasche griff und das Glas zum Mund führte. Anfangs hatte er gedacht, es sei eine Falle, es müsse einen dritten Mann geben, einen unsichtbaren Schützen wie den, der damals Comerrelojes erledigt hatte, aber nein, niemand sonst war da, nur Sanchís und er, und Sanchís hielt die Waffe noch in der Hand. Er war es, Antonino, er hatte geschossen, er hatte Pirulete getötet, und ich wusste nicht, warum, er hatte uns doch einen Handel vorschlagen, uns alles erzählen wollen. Ich fragte: Was hast du getan, Miguel? Warum hast du ihn erschossen? Hast du den Verstand verloren …? Aber Miguel Sanchís, der soeben Pirulete erschossen hatte, der »Engel der Frauen«, der Feldwebel der Guardia Civil, Sohn eines Guardia-Civil-Beamten, Enkel eines Guardia-Civil-Beamten, Bruder, Cousin und Neffe von Guardia-Civil-Beamten, hatte keineswegs den Verstand verloren.
Das wäre für Curro, Vater und für den Leutnant besser gewesen, es wäre einfacher zu erzählen und zu begreifen gewesen, vor allem aber leichter zu vergessen, doch Miguel Sanchís hatte nicht den Verstand verloren und dies auch sofort klarstellen wollen. Keine Bewegung, Curro, sagte er, lass die Pistole fallen, wenn du nicht willst, dass ich dich auf der Stelle abknalle, hörst du? Du musst nicht auch noch sterben, das ist es nicht wert. Ich bin nicht verrückt geworden, aber wenn du nicht auf der Stelle die Waffe fallen lässt, schieße ich auch dich über den Haufen …
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