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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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gestellt. Er wäre nicht der erste gewesen. Selbst wenn man ihn erst gezwungen hätte, mit anzusehen, wie Pastora zu Tode geschlagen wurde, und dann ihn selbst zu Tode gefoltert, hätte man noch seine Leiche erschossen, das war ihm klar.«
    »Deshalb hat er mich verschont«, schloss Curro. »Schließlich bin ich nur am Leben, weil …«
    »Damit du es erzählen kannst.« Vater war immer noch der einzige, der die Dinge klar sehen konnte. »Du bist am Leben, weil du ihm tot nichts genützt hättest. Natürlich hatte er auch keinen Grund, dich zu töten, aber alles, was er dir über die Rubias und Carmela erzählt hat, was er wusste und was er getan hatte … Für ihn warst du lebendig viel nützlicher als tot, denn dir verdanken wir jetzt die Wahrheit: dass wir in unseren Reihen einen Kommunisten hatten. Wahrscheinlich ist er nicht der einzige, und da wir nicht wissen können, wie viele sie sind und wo sie stecken, können wir uns auch niemals sicher fühlen. Sanchís wusste, dass es so kommen konnte, er hatte es eingeplant. Und dann hat er den Tod gewählt, der ihm am meisten nutzte, einen kurzen schmerzlosen Tod, gut für ihn und gut für die Seinen, weil er einen Propagandaakt daraus gemacht hat. Warum, glaubst du, hätte er sonst seine Parolen gerufen?«
    »Und was wird jetzt?«
    Mutter sah Vater und Curro an, während die beiden sich gegenseitig musterten, als wären sie nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten.
    »Keine Ahnung.« Wieder reagierte Vater als erster. »Ich weiß es nicht, so etwas ist noch nie vorgekommen, deshalb … Jedenfalls sollten wir als allererstes die Leichen bergen, oder? Es ist Viertel nach fünf, in einer Stunde wird es hell. Wo liegen sie?«
    »Da, wo sie starben, am Hang zur alten Mühle. Ich habe sie nebeneinandergelegt und mit Sanchís Umhang und ein paar Sträuchern zugedeckt.« Plötzlich machte Curro ein erstauntes Gesicht, als käme ihm das, was er soeben gesagt hatte, lächerlich vor. »Ich weiß auch nicht, ich hielt es für das Beste.«
    »Ja, natürlich.« Vater stand auf, griff nach der Uniformjacke, die über der Rückenlehne des Stuhls hing, und zog sie an. »Gehen wir.«
    »Sollten wir nicht den Leutnant wecken?«
    »Klar. Den Leutnant und alle anderen auch.« Er gab Mutter einen Kuss zum Abschied, packte mich an den Schultern und sah mir in die Augen. »Du gehst jetzt ins Bett, klar? Und morgen in die Schule, egal wie müde du bist. Aber kein Wort, zu niemandem, verstanden? Niemandem! Weder zu Paquito noch zum Portugiesen, zu niemandem. Heute Nacht ist hier nichts passiert.«
    Ich nickte, umarmte und drückte ihn fest an mich, ich weiß nicht, warum, als müsste ich ihn umarmen, nur das, und als er sich von mir löste, lächelte er.
    »Keine Angst, Nino«, sagte er. Ich hatte keine Angst, doch es machte mir nichts aus, dass er es glaubte. »Tote tun niemandem mehr weh, mein Junge.«
    Und dennoch, als wir allein waren, fragte ich Mutter, ob ich zu ihr ins Bett kommen dürfe, und sie sagte ja, obwohl sie nicht glaube, dass ich noch einmal einschlafen könnte. Das dachte ich auch, trotzdem war ich sofort weg.
    Als wir am nächsten Morgen gemeinsam in die Schule gingen, erzählte Paquito nichts, stellte keine Fragen und ermunterte mich auch nicht, ihm welche zu stellen. Der Rest des Morgens war wie immer, eine langweilige Routine, so ruhig, als wäre niemand im Morgengrauen am Hang zur alten Mühle getötet worden. Doch als wir zum Mittagessen nach Hause gingen, bemerkte ich, dass man in Cuelloduros Bar bereits etwas wusste, doch was genau, konnte ich nicht herausfinden, weil die Leute fast alle drinnen waren und zwei Männer, die an der Tür standen, uns beim Vorbeigehen ziemlich böse anschauten. Ich verstand sie nicht. Sie hätten sich freuen sollen, dachte ich, weil Pirulete ein Verräter und Sanchís einer von ihnen gewesen war, ein Held, der den Verrat verhindert und sich anschließend für die Sache geopfert hatte. Das war ja die Wahrheit, doch auf dem Heimweg witterte ich bereits eine andere.
    Meine Schwester Dulce kam regelmäßig vor mir nach Hause. Mit vierzehn Jahren hatte sie zu ihrem Glück die Schule zu verlassen und bekam nun vormittags eine Ausbildung als Schneiderin, wofür sie dann nachmittags umsonst für das Atelier schneiderte. An diesem Tag wartete sie am gedeckten Tisch auf mich und hatte einen Teller über den meinen gelegt, um mein Essen warm zu halten.
    »Mutter kommt nicht zum Essen. Sie ist bei Pastora. Sie haben Sanchís

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