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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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Kommunist war, ist unglaublich, Sanchís ein Kommunist, allein bei dem Gedanken wird mir schlecht. Warum hat er nicht auch dich erschossen? Warum ist er nicht geflüchtet?«
    Curro sah sie an, als hätte er bis zu diesem Augenblick nicht darüber nachgedacht, doch Vater schüttelte den Kopf. Er war jetzt der Ruhigste von den dreien.
    »Wohin denn, Mercedes? Er hatte es nicht leicht, weißt du. Er hatte nicht viel Auswahl.« Einen Moment hielt er inne und lächelte traurig. »In Wahrheit hatte er gar keine. Er arbeitete im geheimen, er musste unentdeckt bleiben. Die in den Bergen wussten nichts davon, da bin ich mir sicher, weil die im Dorf auch nichts wussten. Jeder hasste ihn, nicht nur die Roten, alle, alle hatten Angst vor ihm, das weißt du doch, wo also sollte er hin? Hätte er versucht, sich in die Berge abzusetzen, und dann noch in Uniform, hätten seine eigenen Leute ihn erschossen, noch ehe er den Mund hätte aufmachen können, und selbst wenn sie ihm die Zeit gegeben hätten, es zu erklären, hätten sie ihn getötet, weil sie ihm garantiert nicht geglaubt hätten; sie können niemandem trauen. Was hätte er sonst tun können? Hierher kommen, als Bauer verkleidet, um seine Frau mitzunehmen? Aber wohin? Jedenfalls nicht in die Berge, mit Pastoras Bein wären sie bestimmt nicht weit gekommen. Und wenn er allein losgegangen wäre und wir die Leichen gefunden hätten … Du hast ja gehört, es ist so gut wie unmöglich, dass sich ein Schuss löst und einen Mann genau zwischen die Augen trifft, und bei zweien erst recht, denn bevor er geflohen wäre, hätte er auch Curro töten müssen. Früher oder später hätten wir herausgefunden, was wirklich passiert war, und dann … Was glaubst du wohl, wer für ihn bezahlt hätte?«
    »Pastora«, antwortete sein Partner. »Daran habe ich auch schon gedacht. Wäre er geflohen, hätten sie zuallererst sie verhaftet.«
    »Verhaftet, ins Gefängnis gesteckt, isoliert und …« Weiter wollte Vater nicht gehen, doch es war auch nicht nötig. »Wer weiß, was noch alles.«
    »Und er hat sie geliebt«, sagte Mutter.
    »Natürlich hat er sie geliebt«, bestätigte Curro unnötigerweise, denn es war die einzige Wahrheit, die wir über Miguel Sanchís kannten. »Und wie!«
    »Deshalb hatte er auch keine Wahl, versteht ihr? Er konnte nicht riskieren, dass Pirulete auspackte, das war für ihn das Wichtigste, die Partisanen zu schützen, deshalb hat er ihn sozusagen aus Notwehr mit einem gezielten Schuss zum Schweigen gebracht, und danach … In die Berge konnte er nicht, hierher zurück auch nicht, er konnte Pastora weder mitnehmen noch ohne sie gehen. Das einzige …« Wieder hielt er inne und dachte nach. »Das einzige, was er hätte tun können, war, sich im Haus seines Verbindungsmannes zu verstecken, das Risiko eingehen, dass ihn jemand sah, sich selbst in Gefahr bringen, ihn oder sie und alle anderen, aber …«
    »Sanchís hat gesagt, er sei hier unten ganz allein, das hat er mehrmals wiederholt.«
    »Ich weiß, Curro, aber das kann nicht sein.« Vater lächelte. »Ich weiß, dass er es gesagt hat, aber er wollte bestimmt jemanden decken, es kann nicht stimmen. Irgendwer musste es wissen, irgendwer hat ihm Informationen gegeben und auch welche von ihm erhalten, verstehst du nicht? Warum hätte man ihn ausgerechnet bei der Guardia Civil plaziert, wozu hätte es ihnen genutzt? Er konnte nicht allein operieren, im geheimen schon, aber nicht völlig auf sich allein gestellt. Wahrscheinlich lebt sein Verbindungsmann nicht hier, das wäre zu riskant gewesen. Er wird irgendwo in der Nähe wohnen, aber in einem anderen Dorf, in Martos vielleicht oder in Los Villares oder … Wer weiß. Wahrscheinlich hat er ihn einmal in der Woche oder alle zehn Tage getroffen, mal hier, mal dort, oder sie hatten ein System, um miteinander zu kommunizieren, ohne sich treffen zu müssen. Das würde auch erklären, warum er nicht zu flüchten versuchte. Er hätte einen Wagen gebraucht, und hier hat keiner einen. Er hätte dich töten und ins Dorf kommen müssen, um ein Motorrad oder Don Justinos Wagen zu stehlen und Pastora abzuholen, dann in das andere Dorf fahren, den Wagen wieder loswerden … Es war zu kompliziert. Man hätte ihn gesehen, und er konnte nicht riskieren, dass wir ihn lebendig zu fassen bekommen, das auf keinen Fall. Er wusste, was dann mit ihm geschehen wäre, man hätte ihn am Ende erschossen. Wenn nötig, hätte man ihn mit gebrochener Wirbelsäule auf einem Stuhl an die Wand

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