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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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Dorf hinauf, viel beschwerlicher als die Pfade zu anderen Wasserstellen, und da nie jemand bis dorthin kam, konnten wir nackt baden und mit trockenen Sachen nach Hause zurückkehren. Etwas Schlimmeres oder Gefährlicheres als das hatten wir nicht angestellt, als wir uns langsam, mit erhobenen Händen, umdrehten und einen Mann sahen, der sein Jagdgewehr auf uns gerichtet hielt.
    »Was macht ihr hier?« Als der Portugiese sah, dass wir nur Kinder waren, senkte er seine Waffe. »Verschwindet! Das ist Privatgelände.«
    »Das stimmt nicht!«, rief ich zurück, damit er begriff, dass nicht nur er die Stimme erheben konnte. »Die Mühle gehört den Mariamandiles, ja, aber der Fluss gehört allen.«
    »Ach ja?«
    Obwohl seine Stimme nicht mehr bedrohlich klang und er das Gewehr an einen Felsen gelehnt hatte, ergriff Paquito augenblicklich die Flucht. Ich hingegen blieb stehen, weil ich schon einmal Zug gefahren war, das Meer gesehen und einen Ruf zu verteidigen hatte, obwohl ich so klein war oder vielleicht gerade deshalb.
    »Was ist mit ihm?« Als Pepe vor mir stand, blickte er sich um, doch Paquito war so schnell gelaufen, dass man ihn nicht mehr sah.
    »Ein Angsthase.«
    »Aha …« Er lächelte, als belustigte ihn meine Antwort. »Und du nicht, stimmt’s?«
    »Ich nicht.«
    »Wie alt bist du?«
    »Neun.«
    »Neun …« Er musterte mich von oben bis unten, als könnte er mit den Augen Maß nehmen. »Bist nicht gerade groß für dein Alter.«
    »Nein, aber ein Angsthase bin ich trotzdem nicht.«
    »Schon gut, schon gut …« Er hob die Hände, als wäre nun ich derjenige, der ihn mit einer Waffe bedrohte. »Es tut mir leid, dass ich euch einen Schrecken eingejagt habe, aber seit ich vor drei Tagen die Mühle hier gepachtet habe, seid ihr die ersten, die ich zu sehen bekomme. Und da es immer heißt, in den Bergen würde es nur so von Banditen wimmeln …«
    »Das stimmt, obwohl manche im Dorf sie nicht so nennen.«
    »Ach nein?« Er machte große Augen, als wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass es noch andere Namen für sie geben könnte. »Wie nennen sie sie dann?«
    »Na ja, Widerstandskämpfer. Oder Maquis. Aber das sind die Roten.«
    »Und ihr zu Hause seid keine Roten, nehme ich an.«
    »Natürlich nicht!« Bei dieser unsinnigen Vorstellung musste ich lachen. »Ich wohne in der Kaserne. Mein Vater ist bei der Guardia Civil.«
    »Sieh an.« Er lächelte erneut. »Dann habe ich mir ja einen guten Freund gemacht. Wie heißt du?«
    »Antonino, aber zu Hause Nino, um mich nicht mit meinem Vater zu verwechseln. Er heißt auch so.« Mehr wollte ich ihm nicht verraten, aber dann dachte ich, dass er es ohnehin bald erfahren würde, weil man in meinem Dorf niemanden bei seinem richtigen Namen nannte. »Man nennt mich auch Knirps.«
    »Ich heiße Pepe.« Er reichte mir die Hand wie einem Erwachsenen, und ich schüttelte sie. Er hatte eine große, kräftige Hand, rauh wie die von Männern, die harte Arbeit gewöhnt sind. »Und jetzt, nachdem wir uns vorgestellt haben, muss ich wieder hoch. Es wartet noch eine Menge Arbeit auf mich.«
    »Ich könnte dir helfen, wenn du willst.« Er war bereits auf dem Weg zum Haus, als er stehen blieb und sich umdrehte. »Heute ist schulfrei, ich habe nichts zu tun.«
    Ich blieb länger als zwei Stunden bei ihm. Wir gingen das Gerümpel durch, das im Haus und in der Mühle aufgestapelt war, verbrannten die alten, mottenverseuchten Möbel und passten neue Scheiben in die Fensterrahmen ein. Wir hatten gerade das erste Fenster fertig, als Paquito angerannt kam und rief, ich solle mich auf eine Tracht Prügel gefasst machen, weil ich den ganzen Nachmittag nicht nach Hause gekommen sei. Unterwegs fragte er mich, was ich gemacht hätte. Als ich es ihm erzählte, wollte er wissen, warum. Weshalb ich einen so schönen Nachmittag damit vergeudet hätte, umsonst zu arbeiten? Ich hatte keine Antwort darauf, und viel mehr konnte ich ihm auch nicht erzählen. Ich hatte das Gefühl gehabt, dass wir uns die ganze Zeit unterhalten hatten, doch Paquitos Fragen zeigten mir, dass eigentlich nur ich geredet hatte. Pepe hatte mir bloß gesagt, dass er die Berge mochte, dass es ihm nichts ausmachte, allein zu leben, weitab vom Dorf, und dass er von zu Hause weggezogen sei, weil er eine große Enttäuschung mit seiner Verlobten erlebt hätte, aber darüber wolle er nicht sprechen. Mehr hatte ich ihm nicht aus der Nase ziehen können.
    Mutters Standpauke wurde Paquitos Warnung gerecht. Bevor sie mich zu Bett

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