Der Feind meines Vaters - Roman
und im Sonntagsstaat in der 12-Uhr-Messe entdeckte, begann ich, an meinen eigenen Zweifeln zu zweifeln. Ich war dermaßen überrascht von seiner Aufmachung, dass ich mich mehrmals umdrehte und mit wachsender Verwunderung registrierte, wie aufmerksam er auf die Stichworte des Pfarrers reagierte, ohne das Flüstern und die Blicke der jungen Frauen zu beachten, die die Anwesenheit eines neuen, unverheirateten Mannes zelebrierten, als wären sie nicht ganz dicht. Mutter verpasste mir eine Kopfnuss, und ich sah mich nicht mehr um, aber als ich aus der Kirche kam, wartete er draußen auf mich.
»Gestern habe ich vier fette Forellen gefangen«, sagte er und setzte die Mütze wieder auf, die er zuvor – zu formell für meinen Geschmack – abgenommen hatte, um meine Mutter zu begrüßen. »Komm gegen sieben oder halb acht vorbei, um sie abzuholen.«
»Ich kann auch früher kommen«, bot ich an. »Nach dem Mittagessen, um dir zu helfen.«
»Nein, wozu?« Dann drehte er sich um und ging, als wäre bereits alles gesagt. »Es gibt nichts zu tun, und außerdem wird es viel zu heiß sein.«
Ich wollte ihm nach, doch Mutter, die er mit der Aussicht auf Forellen mit glatter Haut und rosa Fleisch – nun entgegen allen Erwartungen nicht nur eine Hypothese – für sich eingenommen hatte, hielt mich zurück.
»Bist du schwer von Begriff, mein Sohn? Hat er dir nicht gerade gesagt, um sieben? Du gehst um sieben hin, und basta.«
»He – wartest du etwa schon lange?«
Als er mich um Viertel vor sieben vor seiner Haustür fand, saß ich schon fast zwei Stunden dort.
»Nein«, log ich. »Ich bin gerade erst gekommen.«
»Aha …« Er lächelte. »Das freut mich. Komm rein, dann gebe ich dir die Forellen.«
Sie schwammen in einem Fass mit kaltem Wasser am Ende eines Vorratsraumes, der groß und finster war wie eine Höhle. Während er die drei fettesten aussuchte, sie ausnahm und auf einen Draht fädelte, hatte ich Zeit, mir das Haus anzusehen und festzustellen, dass es im Innern genauso aufgeräumt war, wie es mir von außen erschienen war, als ich durch die Fenster gespäht hatte, um die Zeit totzuschlagen, ehe ich wieder ins Wasser gesprungen war.
»Wer macht hier sauber?«
»Niemand.«
»Niemand?«
»Es ist ja nicht sauber …« Er trocknete sich die Hände mit einem Tuch ab und gab mir den Draht, von dem wie Perlen in der Halskette einer Gigantin drei steife glänzende Forellen hingen. »Es ist nur ordentlich. Ein Junggesellentrick, weißt du. Wenn man nur wenig besitzt und immer alles in Ordnung hält, sieht es so aus, als wäre alles sauber, und man muss nicht putzen …« Er fuhr mit dem Zeigefinger über die Anrichte, eines der wenigen Möbelstücke, die wir am Tag des Corpus Christi vor dem Scheiterhaufen bewahrt hatten, warf einen Blick darauf, zeigte mir lachend die schwarze Staubschicht auf der Fingerkuppe. »Siehst du?«
In diesem Moment, während ich mit ihm lachte, dachte ich, dass der Plan, in Granada oder Madrid zu wohnen und Rennwagen zu fahren, vielleicht doch nicht so toll war, wie er schien. In diesem Moment dachte ich, dass ich vielleicht glücklicher wäre, wenn ich wie ein Einsiedler mit wenigen Dingen lebte, die ich in Ordnung hielt, um nicht putzen zu müssen. Als ich Pepe, den Portugiesen, kennenlernte, war er keine dreißig, schlank, aber kräftig und geschickt. Den ganzen Tag verbrachte er im Freien, arbeitete mit nacktem Oberkörper in seinem Gemüsegarten und im Olivenhain oder wanderte in den Bergen. Die Finger der Sonne hatten einzelne blonde Strähnen in sein dunkelbraunes Haar gezeichnet, das im Licht genauso glänzte wie seine glatte braune Haut, und wenn er lachte, zeigte er ein strahlend weißes Gebiss, vollkommen bis auf einen diagonal abgebrochenen Schneidezahn, der an die Klinge eines Messers erinnerte, doch selbst der stand ihm gut.
»Warte mal eben, ja? Ich will mich schnell waschen, ein frisches Hemd anziehen, und dann begleite ich dich ins Dorf zurück.«
Als ich zum ersten Mal hier gewesen war, war mir die einzig wertvolle Sache im Haus aufgefallen: ein großer brauner Lederkoffer, der noch am selben Platz neben dem Bett stand. Zuerst glaubte ich, er ginge auf ihn zu, doch dann sah ich, wie er die Bettmatratze anhob und eines der beiden Hemden herauszog, die auf dem Sprungfederrahmen lagen, ehe er sie wieder herunterließ und nur die Zudecke glatt strich, damit das Bett wie gemacht aussah.
»Noch so ein Junggesellentrick, was?«
»Stimmt. Nicht dass die Hemden perfekt
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