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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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einen so langen Hals, eine so feine Nase und so volle Lippen gehabt hatte, dass man Angst hatte, sie anzurühren. Der Bauernhof, auf dem sie lebte, hieß im Dorf immer noch Hof der blonden Männer, los Rubios , obwohl dort kein Mann mehr wohnte, alle waren tot oder auf der Flucht, einer sogar in Amerika, wie es hieß. Dort lebte Filo, die am nächsten Tag mit einem Haarschnitt wie Kraut und Rüben, den sie sich selbst mit der Küchenschere verpasst hatte, durchs Dorf spaziert war, damit niemand auf falsche Gedanken kam und sie sich nicht bei einem Falangisten bedanken müsste, der sich als Friseur aufspielte. Doch damit hatte sie nur erreicht, dass man sie auf einen Stuhl mitten auf dem Dorfplatz setzte und ihr den Schädel ganz kahl schor. Die Witwen und Waisen der blonden Männer waren die Rubias, starke, mutige Frauen, stolz auf ihr Elend. Nachdem sie gezwungen worden waren, allein zu leben, hatten sie den Hof umbenannt. Er hieß nun der Hof der Rubias, der Hof der blonden Frauen. Hinterfotzig durch und durch, aber Filo war eine Augenweide.
    Mutter kaufte ihr heimlich Eier ab, obwohl Vater es ihr verboten hatte, aber er aß sie trotzdem so gern, dass er zufrieden nickte, wenn er das Brot in das Eigelb tunkte und sah, dass das Eiweiß wie ein aufgeblasener weißer Krapfen den zähflüssigen orangefarbenen Krater umgab. »Du hast wieder bei Filo gekauft, Mercedes«, sagte er dann nur, und meine Mutter nickte gelassen. »Ja, denn mit denen der Piriñaca kann man sie nicht vergleichen, und außerdem muss sich das Mädchen schließlich irgendwie seinen Lebensunterhalt verdienen, oder?« Woraufhin Vater mit vollem Mund antwortete: »Wenn du meinst, aber ich bin bei der Guardia Civil, und eines Tages werden wir noch Scherereien bekommen …« Filo hatte die besten Eier, die man in Fuensanta de Martos bekommen konnte, weil sie mitten in der Nacht aufstand und den ganzen Morgen kilometerweit von Hof zu Hof marschierte, um die frisch gelegten Eier zu kaufen, die sie dann nachmittags im Dorf weiterverkaufte. Ihr Eigelb war orange statt gelb, das Eiweiß zog sich zusammen, statt zu zerfließen, wenn es in das heiße Öl glitt, und weil der Geschmack so anders war, als stammten die Eier nicht von denselben Tieren, war es auch so leicht, ihre Eier von denen aus dem Laden zu unterscheiden. Deshalb blieb Vater nichts anderes übrig, als Mutters Umgang mit einer Roten zu tolerieren.
    Privaten Kleinhandel mit Lebensmitteln, ein bescheidener Broterwerb der Ärmsten, die nichts besaßen als ihre Beine und das Land, um zu überleben, hatte es schon immer gegeben. Doch in der Katerstimmung nach dem Sieg hatte jemand vom grünen Tisch in der Stadt aus beschlossen, den armen kahlgeschorenen Frauen das Leben noch schwerer zu machen und diese Erwerbsmöglichkeit unter dem Vorwand verboten, es sei schwierig, solchen Privathandel vom Schwarzhandel zu unterscheiden. Die Besitzer der Höfe protestierten. Wenn ihnen niemand die Eier abkaufte, verdarben alle, die sie nicht selber essen konnten. Jeder wusste, dass man die Höfe nicht mit den Tieren allein lassen und durch die Gegend ziehen konnte, um Eier zu verkaufen, trotzdem verhafteten die Beamten der Guardia Civil alle Frauen, die mit Körben auf den Landstraßen unterwegs waren, warfen weg, was sie nicht in die eigene Tasche stecken konnten, und buchteten sie über Nacht ein. Eine Zeitlang verfaulten die Eier in den Hühnerställen. Doch dann besiegten Hunger und Verzweiflung die Angst.
    An diesem Tag setzte sich Catalina la Rubia nachmittags neben den Dorfbrunnen, um ein wenig auszuruhen. Sie hatte einen Korb dabei, der mit einem Handtuch abgedeckt war, und darin zwei Dutzend Eier, die sie auf Kommission bekommen hatte. Sie lief nicht wie früher durch das Dorf und pries weder ihre Ware an noch nannte sie deren Preis, und trotzdem hatte sie innerhalb kürzester Zeit alle Eier verkauft. Am nächsten Tag bezahlte sie ihre Schulden und kaufte eine neue Ration. Da hatte es sich bereits herumgesprochen, und die Frauen gewöhnten sich bald daran, Umwege zu machen und sich zu vergewissern, dass niemand ihnen folgte, der sie anschließend denunzieren konnte, nur weil sie Catalina ein paar Eier abgekauft hatten. Trotzdem war jetzt alles schwieriger und komplizierter als früher; man musste die Landstraßen meiden, über die Felder marschieren und sich jeden Tag irgendwo anders hinsetzen. Als dann noch die in den Bergen der Guardia Civil das Leben so schwer machten, dass sie keine Zeit mehr hatte,

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