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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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färbte sie sich das Haar blond noch schminkte sie sich die Augen wie Ana la Doble oder trug Blusen, die ihr eine Nummer zu klein waren, wie Paquitas ältere Schwester Sole Miracielos. Wir hatten oft gesehen, wie die Knöpfe ihrer Bluse zu platzen drohten. Sole arbeitete in der Bäckerei, und wir taten immer so, als könnten wir uns nicht entscheiden, welchen Kuchen wir wollten, zeigten mit dem Finger auf die Vitrine, bis ihr schwindelig wurde, diesen nicht, den da, nein, lieber den rosa, damit sie sich mit der Zange in der Hand mal nach links, mal nach rechts beugte, während die Bluse über der Brust spannte. Pastora musste sich weder das Haar färben noch schminken oder enge Blusen tragen, um etwas Dunkles, Heißes auszustrahlen, das Begierde und Scham zugleich weckte.
    »Ich frage mich, wie ein so gut aussehender Mann ausgerechnet eine heiraten musste, die hinkt und obendrein keine Kinder bekommen kann«, brummte Mutter, wenn sie es leid wurde, mit ihrem Mann zu streiten. »Als hätte er keine andere Wahl gehabt. Wahrscheinlich, weil er sonderbar ist, deshalb, ein komischer Kerl … Wer weiß, was die beiden machen, wenn sie allein sind.«
    »Das ist wohl nicht schwer zu erraten.«
    »Daran dachte ich nicht, Antonino.«
    »Na ja, aber das wohl auch.«
    Sanchís schenkte seiner Frau unzählige Paare hochhackiger Schuhe, offene und geschlossene, in allen Formen, in allen Farben, und wenn er mit ihr durch die Straßen spazierte, war er hin und weg. Pastora war die einzige auf der Welt, bei der sich sein Gesicht entspannte und der ständige mürrische Ausdruck verschwand, den seine Umgebung oder sogar wir ihm abverlangten. Und wenn sie mit ihm zusammen war, veränderte auch sie sich, dann war sie eine gesellige Frau, die sich wie die anderen lächelnd unterhielt. In der Kaserne aber war sie immer allein und hielt sich fern von den Familien der anderen Beamten der Guardia Civil. Mutter verabredete sich mit Paquitos Mutter oder Carmonas Frau, um zum Markt zu gehen oder im Sommer einen Abendspaziergang zu machen. Izquierdos Frau, die sechs Kinder und einen kranken Schwiegervater zu versorgen hatte, schloss sich ihnen an, wann immer sie konnte. Die Frau des Leutnants, die an Größenwahn litt, hatte andere, repräsentativere Freundinnen wie die Frau des Bürgermeisters oder des Arztes. Pastora hingegen blieb zu Hause und schlug jede Einladung ohne ihren Mann höflich ab. Freundinnen im Dorf hatte sie auch nicht.
    »Kein Wunder!«, sagten Mutter und ihre Freundinnen und stießen sich an, wenn die Sprache darauf kam. »Bei der Vorgeschichte …«
    Ich besaß eine vage Erinnerung an den Tag, an dem Sanchís und Pastora nach Fuensanta gekommen waren, vier oder fünf Jahre vor dem Portugiesen. Einige Monate später erzählte ein Pferdezüchter, der hier ein Tier abzuliefern hatte, seinem Kunden, dass er Pastora seit ihrer Kindheit kenne, denn sie stamme aus seinem Nachbardorf, Ciudad Real. Er fragte, wie sie hier gelandet war. Der Mann erzählte ihm, sie sei die Ehefrau eines Guardia-Civil-Beamten, woraufhin der andere vor Staunen den Mund nicht mehr zubekam. Nicht zu fassen, murmelte er, das ist wohl Schicksal. Erst verbringt sie das halbe Leben auf der Polizeiwache oder im Knast, und dann endet sie als Ehefrau eines Beamten der Guardia Civil in der Kaserne. Mehr sagte er nicht, und er kam auch nicht wieder ins Dorf, doch mehr bedurfte es auch nicht. Carmonas Frau zählte eins und eins zusammen und war sich mit ihren Freundinnen einig, dass Pastora früher eine Hure gewesen sein musste und sich deshalb schämte, mit anständigen Frauen zu verkehren.
    Hure oder nicht, Pastora war der Inbegriff von Sinnlichkeit, die sie im holprigen Rhythmus ihrer Schritte wie eine unsichtbare Aura umgab, doch Sanchís genügte ihr. Ein paar Tage bevor dieser überraschend in der alten Mühle aufgetaucht war und gedroht hatte, uns den Nachmittag zu vermiesen, hatte ich gesehen, wie die beiden sich küssten. So hatte ich noch nie jemanden sich küssen sehen, und das mitten auf der Kirmes, vor aller Augen, im Schein der Glühbirnen und gelben Lichterketten, die sich mit langen Reihen flatternder Papierfähnchen abwechselten. Paquito hatte mir gerade erzählt, was sich in Martos zugetragen hatte, und da ich ihm nicht in die Augen sehen wollte, blickte ich zu den beiden hinüber. Sie lehnten an einer Wand, dicht nebeneinander, reglos, still. Sanchís hatte ein Glas Kognak in der Hand und reichte es ihr. Sie nahm einen kräftigen Schluck und gab es

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