Der Feind meines Vaters - Roman
den August des Jahres 1947 schrieben, blickte ich weiter auf das Buch, als glaubte ich tatsächlich, sein zufälliger Besitzer sei Analphabet.
»Ein Roman«, sagte ich nur. »Sieht interessant aus. Ich würde ihn gern lesen.«
»Wirklich?« Er sah mich an, als hätte er noch nie etwas so Merkwürdiges gehört. »So ein dickes Buch?« Ich nickte, und dann lachten wir beide. »Na gut, dann nimm es mit. Wenn jemand danach fragt, sage ich einfach, ich wüsste von nichts. Aber lass mich vorher etwas nachsehen.«
Er nahm mir das Buch aus der Hand, drehte es um und fächerte die Seiten auf, als wollte er sichergehen, dass sich nichts Wertvolles darin verbarg.
»Nichts.« Er gab es mir mit einem vieldeutigen Ausdruck zurück, der aussah wie ein Lächeln, es aber nicht ganz war. »Die Leute verstecken gern Geld in den Büchern. Es hätte ein Tausendpesetenschein drin sein können. Pech gehabt.«
Dennoch enthielt dieses Buch das Schicksal mehrerer Menschen, bekannter und unbekannter, obgleich ich das erst herausfand, als ich den Schluss der Geschichte las, die ich noch in derselben Nacht begann.
»Was wollte der Feldwebel?«, fragte ich noch, bevor ich mich verabschiedete.
»Honig«, erklärte er, ruhig wie immer.
»Honig?«
»Ja. Offenbar mag seine Frau ihn sehr.«
Ein exzentrischer französischer Forscher namens Jacques Panagel besucht Mary und Robert Grant, Kinder eines berühmten britischen Kapitäns, den man nach einem Schiffbruch für verschollen hielt, und übergibt ihnen eine Flaschenpost, die im Magen eines erlegten Riesenfischs gefunden wurde. Das Schreiben, das Kapitän Grant selbst verfasst hat, beweist, dass er noch lebt und sich irgendwo in Südamerika befindet. Voller Hoffnung organisieren die Kinder mit Hilfe des Professors eine Expedition an Bord eines prachtvollen Schiffes namens Duncan , das gerade unter dem Kommando von Lord Glenarvan den Hafen von Bristol verlassen will … In diesem Moment hörte ich die Stimme des Portugiesen in der Küche unserer Wohnung.
»Guten Abend, Mercedes, ich wollte Ihren Mann sprechen.«
»Pepe!« Meine Mutter freute sich, ihn zu sehen, obwohl er ihr diesmal nichts mitgebracht hatte. »Komm rein, setz dich bitte. Antonino ist nicht da, aber er müsste jeden Moment kommen. Nino! Sieh mal, wer da ist …«
Ich hatte ihn seit zwei Tagen nicht gesehen, konnte aber nur ganz kurz mit ihm reden, denn kaum hatte ich angefangen, ihm den Anfang der Geschichte zu erzählen, kam Vater. Pepe ging auf ihn zu, flüsterte ihm etwas ins Ohr, das ich nicht verstand, und dann verließen beide mit ernsten Gesichtern das Haus. Was danach geschah, erzählte mir wie üblich Paquito, doch wegen Jules Verne verstand ich es diesmal besser, intensiver und genauer als früher. Dank eines Scharfblicks, der nicht der meine war, erkannte ich, welche inneren Kämpfe und Stürme einen ruhigen Mann aufwühlten, der genauso oft in Patagonien oder Australien gewesen war wie ich, nämlich nie.
Der Portugiese war gekommen, um Vater zu berichten, dass er am Nachmittag, als er durch den Wald streifte und in den Bäumen nach einem Bienenstock suchte, um Pastora eine Freude zu machen, in den Bergen zwei bewaffnete Männer gesehen hätte, etwa da, wo sich die Höhle der Jungfrau befand, aber weiter oben. Da er ihn gebeten habe, Verdächtiges zu melden, sei er auch direkt zu ihm gekommen, doch Vater brachte ihn sofort zum Leutnant. Der versammelte seine sieben Untergebenen und forderte den Portugiesen auf, die Geschichte mit sämtlichen Einzelheiten, an die er sich erinnern konnte, zu wiederholen. Danach bat er um Freiwillige. Sanchís und Izquierdo waren die einzigen, die mit gutem Beispiel einen Schritt vortraten, die übrigen musste der Leutnant selbst bestimmen. Er entschied, dass nur Carmona und Arranz, der schon älter war und bald in Pension gehen würde, im Dorf bleiben dürften. Er selbst wollte den Trupp anführen, und der Portugiese sollte ihnen den Weg zeigen. Bevor sie aufbrachen, reichte ihm der Leutnant ein Gewehr, für alle Fälle, und Pepe verzog das Gesicht. »Ich würde lieber keine Waffe tragen, weil … Ich weiß nicht. Ich kenne mich mit derlei Dingen nicht so aus.« Er machte sich vor Angst in die Hosen, und die Männer der Guardia Civil lachten, klopften ihm auf den Rücken und spendierten ihm einen Kognak. Dann versprachen sie ihm noch, dass er nicht abdrücken müsse. Das alles erzählte Paquito.
In dieser stillen Augustnacht mit dem zunehmenden Viertelmond war der Himmel von
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