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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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fragte, ob er nun zufrieden sei, und Carmona, der so hager und mickrig war, sich in der Nacht, als der Leutnant das Fluchtgesetz auf Laureano anwendete, in die Hose machte, und dass ab dieser Nacht derselbe Leutnant sich darum kümmerte, dass man Carmela Pesetilla in Ruhe ließ. Ich lebte unter ihnen, war einer von vielen in der Kaserne, und ich hatte oft gehört, wie sie sich Mut zusprachen, dieselben Ratschläge wiederholten, dieselben Phrasen in aller Munde, ohne sich jemals abzunutzen. Du brauchst keine Gewissensbisse zu haben, du hast dir nichts vorzuwerfen, es ist nicht unsere Schuld, sondern ihre, sie verstoßen gegen das Gesetz. Trotzdem erbrachen sie sich weiter, machten sich weiter in die Hose und senkten weiter die Köpfe, das hält doch niemand aus, aber wenn wir es nicht tun, dann andere, was sollen wir machen? Wir führen nur Befehle aus.
    Der Leutnant betrank sich fast jede Nacht, Arranz immer, Romero folgte mit kurzem Abstand, Izquierdo rauchte Kif, den er von einem Cousin bekam, einem Fremdenlegionär, und die übrigen trösteten sich mit dem Gedanken, dass sie nur Befehle ausführten und andere die Verantwortung trügen. Beamte, die in Madrid in geräumigen Amtszimmern saßen, wo es im Winter eine Heizung und im Sommer Ventilatoren gab. Sie marschierten sich nicht in den Bergen die Füße wund, an ihren Händen klebte kein Blut. Sie konnten die Geschichte so erzählen, wie sie wollten, konnten im April die Jahre des Friedens feiern und an die brennenden Kirchen, die aufgeschlitzten Priester und die Nonnen, denen man Gewalt angetan hatte, erinnern. An den Terror der marxistischen Horden und daran, wie sie mit ihrer heiligen Intervention das Land gerettet hatten. In Madrid mochte es Menschen geben, die glaubten, der Krieg sei 1939 zu Ende gegangen; in meinem Dorf war es nicht so. Dort flohen die Männer in die Berge, um ihr Leben zu retten, und die Staatsgewalt verfolgte ihre Frauen, wenn sie versuchten, mit dem Verkauf von Lebensmitteln zu überleben, Espartogras im Wald sammelten, um es zu Streifen zu flechten, Pleita genannt, und sogar wenn sie auf der Landstraße wilden Spargel verkauften. Diesen Frauen war alles verboten; was immer sie taten, war illegal, verstieß gegen das Gesetz. Dass ihre Kinder überlebten, kam einem Wunder gleich. So war es in meinem Dorf, in dem man jede Nacht hinterrücks erschossen werden konnte, weil man seinem Kind, seinem Vater, seinem Bruder etwas zu essen gegeben hatte. Das allein genügte, um Mord zu rechtfertigen, das machte aus allen gefährliche Banditen und Staatsfeinde, selbst wenn sie nie im Leben eine Waffe in die Hand genommen hatten. Das war das Gesetz, ein ungerechtes, hassenswertes Gesetz, unmenschlich und barbarisch, aber ein anderes gab es nicht, und die Angehörigen der Guardia Civil setzten es durch.
    Sie führten nur Befehle aus, aber sie kannten die Wahrheit. Sollte sich das Blatt wenden, wartete auf diejenigen, die diese Gesetze von ihren Amtszimmern aus gemacht hatten, ein Flugzeug, das sie in Sicherheit bringen würde, auf sie selbst aber nur eine Wand auf dem Friedhof. All das aus einem einzigen Grund: weil es ein Krieg war, der nie enden würde. Sie wussten es, und sie hatten nicht nur Schuldgefühle, sondern auch Angst: vor den Repressalien, vor der Rache, die sich an ihnen austoben und sie jeden Augenblick erwischen könnte. Aus dieser Angst erwuchs der Hass, der sie grausam machte, sie aber gleichzeitig zwang, mit einer anderen Angst zu leben, nicht unähnlich der, welche die von ihnen drangsalierten Dorfbewohner empfanden. Einer Angst, die sie davon abhielt, sich den Befehlen zu widersetzen und die Spirale des Schreckens aufzuhalten, sich zu weigern, abzudrücken, wenn ein zitternder, unbewaffneter Mensch ihnen den Rücken zuwandte, ehe er tot umfiel. Es war eine Angst, die in Scham umschlug angesichts des ungewöhnlichen Verhaltens einer mutigen Person wie des Hauptmanns, der befohlen hatte, mit der Musik aufzuhören, als in Martos ein Vertreter der paramilitärischen Requeté auf Crispíns Leiche tanzte. Deshalb musste er, das war sogar mir klar, kein Roter sein, aber falls doch, dann war er bewundernswert und viel mutiger gewesen als alle, die ihn wortlos anstarrten, ohne etwas anderes zu tun, als die Übelkeit zu ertragen, bis das Spektakel zu Ende war. Vater sagte immer, er hätte alles getan, um den Beruf zu wechseln, und wir wussten, dass es stimmte. Auch seine Kollegen hätten lieber in einem anderen Dorf gelebt, in einer anderen

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